Ortolan (Emberiza hortulana)

Ortolan © Lutz DöringOrtolan © Lutz Döring

Verbreitung

Der monotypische Ortolan ist in der borealen, gemäßigten, mediterranen und Steppenzone der westlichen Paläarktis verbreitet. Das Brutareal erstreckt sich von der Iberischen Halbinsel, Mitteleuropa und Skandinavien ostwärts bis Karelien und zum Kaspischen Meer sowie zwischen 49 ° und 55 ° N bis in die nordwestliche Mongolei. In Skandinavien dringen die Vorkommen bis zum Polarkreis vor. Die Südgrenze bildet das nördliche Mittelmeer, Israel und der Nordiran. Bereiche mit atlantischem Klima werden gemieden. In Europa brüten schätzungsweise 600.000-840.000 BP. Die größten Bestände leben gegenwärtig in Spanien und Finnland (GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1997, STOLT in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Die deutschen Brutvorkommen beschränken sich auf die mittleren Bereiche Ostdeutschlands und angrenzende niedersächsische Gebiete sowie auf Franken. Kleinflächige Restvorkommen existieren u.a. am Niederrhein, in Westfalen und in Ostbayern (RHEINWALD 1993, GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1997). Die ostdeutschen Vorkommen sind sehr ungleichmäßig verteilt. Ca. 40 % der geschätzten 7.000 BP brüten in Südwest-Mecklenburg und Nordwest-Brandenburg mit dem Schwerpunktbereich Prignitz. Höhere Siedlungsdichten wurden ebenfalls im Lausitzer Becken- und Hügelland, in der Altmark und im Fläming festgestellt. Relativ spärlich werden die Oberlausitz, die Gebiete südwestlich der Elbe und die nordöstlichen Tieflandbereiche besiedelt (NICOLAI 1993a). In Sachsen-Anhalt waren Anfang der 1980er Jahre in der südwestlichen Flämingabdachung und der Altmark die Verbreitungsschwerpunkte der Art (NICOLAI 1993a). In den 1950er Jahren waren auch das Hallesche und Köthener Ackerland noch gut besiedelt. Später erloschen vielerorts die Vorkommen, sodass Anfang der 1990er Jahre nur noch wenige Verbreitungsinseln bestanden (GNIELKA 1987, GNIELKA & ZAUMSEIL 1997, WIETSCHKE in ROCHLITZER 1993). Die Ergebnisse der Kartierung des Südteils Sachsen-Anhalts (1990-1995) zeigten, dass jetzt die sandigen Gebiete nördlich der Elbe das Dichtezentrum der Art bilden. Kleine Vorkommen befanden sich außerdem am nördlichen und westlichen Rand der Querfurter Platte (bei Schafstädt und Dornstedt, Schmoner Hänge). Bereiche über 250 m ü. NN werden nicht besiedelt (GNIELKA & ZAUMSEIL 1997).

Ökologie und Zugstrategie

Der Ortolan besiedelt warme und niederschlagsarme Gebiete mit wasserdurchlässigen Böden. Voraussetzungen für eine Ansiedlung sind kurzrasige oder teilweise vegetationsfreie Flächen zum Nahrungserwerb sowie Felsblöcke, Sträucher oder Bäume als Singwarten. Die Art bewohnt bevorzugt Trockenrasen, Streuobstwiesen, terrassierte Weinberge, Alleen sowie Ränder von Eichen- und Kiefernwälder, die an Getreide- und Hackfruchtäcker grenzen bzw. in Sachsen-Anhalt auch an Brach- und Ödland. Offene Ackerlandschaften werden entlang weg- und straßenbegleitender Baumreihen besiedelt (GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1997, GNIELKA 1987, GNIELKA & ZAUMSEIL 1997). Der Ortolan überwintert im tropischen Afrika. Die Winterquartiere liegen in Westafrika zwischen 9 ° und 12 ° N sowie in Ostafrika (Äthiopien und Sudan). In Mitteleuropa dauert der Wegzug von Mitte August bis Mitte/Ende September. Der Heimzug beginnt in den mitteleuropäischen Breiten Mitte April und erreicht seinen Höhepunkt Ende April/Anfang Mai. Nachzügler werden bis Ende Mai (Juni) festgestellt (GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1997).

Bestandsentwicklung

In den 1950er Jahren setzten europaweit Bestandsrückgänge ein, die besonders im westlichen Mitteleuropa zu erheblichen Abnahmen und Arealverlusten führten und weiterhin führen. Die südeuropäischen Vorkommen in Spanien, Portugal, Frankreich und Italien nehmen ebenfalls ab. Nur die polnischen und finnischen Dichtezentren melden stabile Bestände (BAUER & BERTHOLD 1997, STOLT in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Seit 1970 ist das deutsche Brutvorkommen um mehr als 20 % geschrumpft. Für das Jahr 1994 werden noch 3.700-6.300 BP angegeben (WITT et al. 1996). In einigen Bundesländern lagen die Rückgänge bei über 50 % (u.a. in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Nordrhein-Westfalen) bzw. bei weit über 75 % (u.a. Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Baden-Württemberg). Im Südteil von Sachsen-Anhalt brüteten zwischen 1950 und 1965 noch 4.000-10.000 Paare, zwischen 1990 und 1995 wurden nur noch 500-1.200 BP festgestellt. Frühere Umfrageergebnisse erbrachten für das Jahr 1982 ca. 400-600 BP. Während der Kartierung Anfang der 1990er Jahre war der niedrige Bestand stabil (GNIELKA 1987, GNIELKA & ZAUMSEIL 1997). 2015 wurden in Sachsen-Anhalt 3.000-5.000 BP gezählt. Der Bestand ist rückgängig.

Gefährdung und Schutz

Die Populationsdynamik und Bestandsentwicklung des Ortolans werden sehr stark von klimatischen Veränderungen beeinflusst. Diese können jedoch nicht allein die Bestandseinbrüche der letzten Jahrzehnte erklären. Die Ursachen liegen vielmehr im Verlust geeigneter Brutplätze und Nahrung durch die Intensivierung der Landwirtschaft, durch Vergrößerung der Schlagflächen, Abnahme der Ackerraine und Feldwege, verringerten Hackfruchtanbau sowie Biozid- und Düngereinsatz. Auch durch die Aufgabe traditioneller Nutzungsformen wie z.B. Streuobstwiesen sowie die Rodung von Hecken, Alleen und Baumreihen sind Ursachen. Weiterhin wurden direkte Verluste durch die Bejagung auf den Zugwegen und quecksilberhaltige Saatgutbeizen nachgewiesen (BAUER & BERTHOLD 1997, BAUER & THIELKE 1982, HÖLZINGER 1987, STOLT in HAGEMEIJER & BLAIR 1997, TUCKER & HEATH 1994). Ortolane können nur in extensiv genutzten, strukturreichen Landschaften erhalten werden. Dazu zählen alte Streuobstwiesen und Weinberge, Alleen, Feldgehölze und Windschutzstreifen. Der Anbau einer höheren Vielfalt an Feldfruchtarten, geringere Düngemittel- und Pestizidgaben sowie die Anlage von Brachen in geeigneten Lebensräumen tragen ebenfalls zum Schutz der Art bei. Die Vogeljagd in den Mittelmeerländern ist zu unterbinden (BAUER & BERTHOLD 1997, BAUER & THIELKE 1982).

 

Rote Liste Deutschland:                    3 – Gefährdet (5. Fassung, Stand November 2015)

Rote Liste Sachsen-Anhalt:               3 – Gefährdet (3. Fassung, Stand November 2017 Vorabdruck)

Literatur

entnommen aus:

Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2003): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Vogelarten nach Anhang I der Europäischen Vogelschutzrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 223 S.

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