Buntsandstein- und Gipskarstlandschaft bei Questenberg im Südharz (FFH0101)

Blick auf Questenberg © Lutz DöringBlick auf Questenberg © Lutz Döring

Größe [ha]: 6.012
Landkreise und kreisfreie Städte: Mansfeld-Südharz
Verwaltungseinheiten:Einheitsgemeinde Stadt Sangerhausen; Einheitsgemeinde Stadt Südharz; Verbandsgemeinde Goldene Aue

Gebietsbeschreibung

Das FFH-Gebiet als wesentlicher Teil des ca. 30.000 ha großen Biosphärenreservates „Karstlandschaft Südharz“ im „Südlichen Harzrand“ erstreckt sich von Grillenberg im Osten bis nach Uftrungen im Westen. Der gesamte Formenschatz der Gipskarstlandschaft in einer für Deutschland einmaligen Häufung unterschiedlichster Ausprägungen ist hier vorhanden. Dazu gehören Dolinen, Abrissspalten und -wände, Bachschwinden, Schlucklöcher (Ponore), Erdfalltrichter, verschiedene Karstgewässer, Trocken- und Durchbruchstäler sowie Gipsbuckellandschaften. Zudem findet man im Gebiet kleinere und größere schwermetallreiche Halden des Kupferbergbaus. Im Bereich des FFH-Gebietes befindet sich das NSG Gipskarstlandschaft Questenberg (Interaktive Karte der NSG).

Lebensraumtypen und Flora

Das Gebiet wird überwiegend von Wald eingenommen. Prägend sind die Bestände des FFH-LRT 9130 Waldmeister-Buchenwald (2190 ha). In der Baumschicht treten zur Leitart Rotbuche (Fagus sylvatica) u. a. Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus), Gemeine Esche (Fraxinus execlsior) und Trauben-Eiche (Quercus petraea) hinzu. Es bestehen Übergangsformen, so zum Bärlauch-Buchenwald auf feuchteren Standorten mit zahlreichen Frühjahrsgeophyten, wie Gelbem Windröschen (Anemone ranunculoides), Hohlem Lerchensporn (Corydalis cava) und an wenigen Stellen auch Märzenbecher (Leucojum vernum). Wo Gips im Oberboden vorhanden ist, entwickeln sich Basenzeiger. Dazu zählen Leberblümchen (Hepatica nobilis) und die Türkenbund-Lilie (Lilium martagon). Häufig werden Bestände dieses LRT bereits frühzeitig aufgelichtet, um eine Verjüngung zu initiieren. Die Entwicklung von Buchen-Altersphasen wird so verhindert. Im FFH-LRT 9150 Orchideen-Buchenwald (ca. 28 ha) tritt zu den genannten Baumarten die Elsbeere (Sorbus torminalis) hinzu. Aus dem Gebiet ist ein individuenarmes und rückläufiges Vorkommen des Frauenschuhs (Cypripedium calceolus) als Art des Anhang II der FFH-Richtlinie bekannt. Die Bestände des FFH-LRT 9110 Hainsimsen-Buchenwald (144 ha) kommen hingegen überwiegend auf ausgehagerten Kuppen und Hängen vor. Die Bodenvegetation entwickelt sich relativ artenarm. Die Bestände des FFH-LRT 9170 Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald (670 ha) sind vielfach aus Mittelwäldern hervorgegangen, in denen die Eiche besonders gefördert wurde. Viele dieser Wälder sind auch durch Pflanzungen entstanden. Wertgebende Arten der Krautschicht sind Ebensträußige Margerite (Tanacetum corymbosum), Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria), Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia) und Weißes Fingerkraut (Potentilla alba). Um Questenberg, am Bauerngraben und bei Morungen ist der FFH-LRT 9180* Schlucht- und Hangmischwälder (ca. 60 ha) ausgeprägt, der typischer Weise in älteren Dolinen und Erdfällen vorkommt. Es sind feucht-kühle Standorte mit Silberblatt (Lunaria rediviva) und Hirschzunge (Phyllitis scolopendrium) und trocken-warme Standorte mit Haselnuss (Corylus avellana), Großblütigem Fingerhut (Digitalis grandiflora) oder Nickendem Perlgras (Melica nutans) ausgeprägt. Der FFH-LRT 91E0* Erlen-Eschenwälder (75 ha) befindet sich überwiegend als Saum an den zahlreichen Fließgewässern wie beispielsweise am Glasebach. Die Bodenvegetation der Waldgesellschaften auf basenreichen Standortenweist im Gebiet zahlreiche Orchideenarten auf, wie Bleiches Waldvögelein (Cephalanthera damasonium), Stattliches Knabenkraut (Orchis mascula), Braunroter, Breitblättriger und Kleinblättriger Sitter (Epipactis atrorubens, E. helleborine, E. microphylla), Frauenschuh (Cypripedium calceolus) und Vogel-Nestwurz (Neottia nidus-avis).
Eine typische Karsterscheinung ist der FFH-LRT 3180* Turloughs (7,5 ha). Dabei handelt es sich um den temporär Wasser führenden Karstsee „Bauerngraben“. Durch Schlucklöcher ist dieser Turlough mit unterirdischen, Wasser führenden Hohlräumen verbunden. Die Schlucklöcher können zeitweise auch verschlossen sein, so dass sich der See ausbildet.

Heiden mit dem FFH-LRT 4030 Trockene europäische Heiden (6 ha) wachsen an mehreren Stellen kleinflächig verstreut im Gebiet und neigen wegen der fehlenden Nutzung zur Bewaldung. Von den Magerrasen ist der FFH-LRT 6210 Kalk-Trockenrasen (*orchideenreiche Bestände) (70 ha) am weitesten verbreitet. Im Gebiet kommen Esparsetten-Trespen-Halbtrockenrasen, Furchenschwingel-Fiederzwenken-Rasen, seltener auch Kreuzblümchen-Blaugras-Rasen und Enzian-Schillergras-Rasen vor. Charakteristisch sind neben den namengebenden Arten Fransen-Enzian (Gentianella ciliata), Große Händelwurz (Gymnadenia conopsea), Färber-Ginster (Genista tinctoria) und Gemeines Sonnenröschen (Helianthemum nummularium). Das Stattliche Knabenkraut tritt hier mit überregional bedeutsamen, sehr individuenreichen Vorkommen auf. Von besonderem naturschutzfachlichem Wert sind die Populationen der sehr selten gewordenen Herbst-Wendelorchis (Spiranthes spiralis) und des Feld-Enzians (Gentianella campestris ssp. baltica) sowie des Blasses Knabenkrautes (Orchis pallens) an seiner nördlichen Arealgrenze. Der FFH-LRT 6110* Kalk-Pionierrasen (0,5 ha) tritt auf Gips mit dem seltenen Ebensträußigen Gipskraut (Gypsophila fastigiata) auf. Auf Gipsrohböden bildet die Zwerghornkraut-Gesellschaft eine artenreiche Übergangsgesellschaft mit Fünfmännigem Hornkraut (Cerastium semidecandrum), Finger-Steinbrech (Saxifraga tridactylites), Kelch-Steinkraut (Alyssum alyssoides) und Zwerg-Schneckenklee (Medicago minima) mit zahlreichen Moos- und Becherflechtenarten. Auf umfangreichen Flächen ist der FFH-LRT 6510 Magere-Flachland-Mähwiesen (388 ha) ausgebildet. Der FFH-LRT 6130 Schwermetallrasen (14 ha) ist eine weitere Besonderheit des Schutzgebietes. Er wird im Gebiet von der Kupfergrasnelken-Gesellschaft repräsentiert. Typische Arten sind die Galmei-Grasnelke (Armeria maritima ssp. halleri), Frühlings-Miere (Minuartia verna ssp. hercynica) und das schwermetalltolerante Taubenkropf-Leimkraut (Silene vulgaris var. humilis).

Auf Gipsdurchragungen siedelt der FFH-LRT 8210 Kalk-Felsspaltenvegetation (4 ha), der auf waldfreien Standorten als Mauerrauten-Gesellschaft ausgeprägt ist. Zahlreiche im Gebiet befindliche Höhlen können dem FFH-LRT 8310 Nicht touristisch erschlossene Höhlen zugeordnet werden.

Fauna

In der Gipskarstlandschaft finden Haselmaus (Muscardinus avellanarius) und Siebenschläfer (Glis glis) optimale Lebensräume. Auch die Wildkatze (Felis silvestris) ist regelmäßig anzutreffen. Zudem frequentiert der Luchs (Lynx lynx) das Gebiet. Die abwechslungs- und strukturreiche Karstlandschaft bietet nachweislich 19 Fledermausarten Lebensraum. Neben Großem Mausohr (Myotis myotis), Mops- und Bechsteinfledermaus (Barbastella barbastellus, Myotis bechsteinii) sind hier Brandt-, Bart- und Nymphenfledermaus (Myotis brandtii, M. mystacinus, M. alcathoe) anzutreffen (Ohlendorf, mdl. Mitt.). Für Fransenfledermaus (Myotis nattereri), Kleinabendsegler (Nyctalus leisleri) und Braunes Langohr (Plecotus auritus) liegen Reproduktionsnachweise vor. Vor allem während der Schwärmphase bzw. der Zugzeit treten Nord- und Rauhautfledermaus (Eptesicus nilssonii, Pipistrellus nathusii) sowie der Große Abendsegler (Nyctalus noctula) verstärkt in Erscheinung. In den letzten Jahren gab es erste Hinweise, dass die verschollene Kleine Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) das Gebiet wieder besiedeln könnte (mdl. Mitt. B. Ohlendorf 2012). In den Höhlen des Gebietes überwintern Großes Mausohr (Myotis myotis) und Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus), aber auch Brandt- und Bartfledermaus (Myotis brandtii, M. mystacinus) sowie Fransenfledermaus und Braunes Langohr (Myotis nattereri, Plecotus auritus).

In wärmegetönten Trockenrasen treten die Zauneidechse (Lacerta agilis) sowie selten auch die Schlingnatter (Coronella austriaca) auf. Wertbildende Arten der Lurche sind Springfrosch (Rana dalmatina), Kammmolch (Triturus cristatus), Bergmolch (Triturus alpestris), Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans), Feuersalamander (Salamandra salamandra), Knoblauchskröte (Pelobates fuscus) und Wechselkröte (Bufo viridis). Auf die Vorkommen der Groppe (Cottus gobio) und des Bachneunauge (Lampetra planeri) wird verwiesen. Der Hirschkäfers (Lucanus cervus) kommt in der Gipskarstlandschaft Questenberg vor. Darüber hinaus gelang an einem kleinen Stauteich in der Nähe von Dietersdorf 2012 erstmals für das Gebiet der Nachweis der Großen Moosjungfer (Leucorrhinia dubia) (H. Bock, schriftl. Mitteilung).

Literatur: 8, 30, 140, 207, 212, 264, 337, 338, 510

verändert nach:

Jentzsch, M. und Reichhoff, L. (2013): Handbuch der FFH-Gebiete Sachsen-Anhalts. Hrsg. Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 616 Seiten

Links / Dokumente

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