Colbitzer Lindenwald (FFH0029)

Größe [ha]: 527
Landkreise und kreisfreie Städte: Börde
Verwaltungseinheiten: Verbandsgemeinde Elbe-Heide; Einheitsgemeinde Stadt Haldensleben

Gebietsbeschreibung

Das FFH-Gebiet liegt innerhalb der großräumigen Wald- und Heidelandschaft der Colbitz- Letzlinger Heide in der Landschaft der „Altmarkheiden“. Es handelt sich um ein geschlossenes Waldgebiet aus überwiegend alten Laub- und Laubmischwäldern auf grundwasserfernen Standorten, das sich von den überwiegenden Kiefern-Forsten der Umgebung deutlich abhebt. Das Gebiet ist Bestandteil des Europäischen Vogelschutzgebietes „Colbitz-Letzlinger Heide“.

Der Lindenreichtum führte schon 1907/1939 zur Ausweisung eines Naturschutzgebietes, das NSG Colbitzer Lindenwald (Interaktive Karte der NSG). In einer Grenzbeschreibung aus dem Jahre 1292 werden erstmalig „Lindenberge“ urkundlich erwähnt. Der Lindenwald gehörte zu dem sogenannten perpetuellen Gehege, das sich die Erzbischöfe vom nahe gelegenen Magdeburg als Jagdgehege reserviert hatten. Hier war es verboten, Vieh zu hüten, Gras zu schneiden oder Laub als Einstreu für die Stallungen der Haustiere zu rechen. Die Holznutzung war auf die Plenterung zopftrockener Eichen beschränkt, wodurch Platz für die Verjüngen von Eichen und Linden geschaffen wurde. Die ersten größeren, unkontrollierten Holzeinschläge erfolgten 1806 durch die Truppen Napoleons I. Nach Beendigung der Freiheitskriege ging man daran, die im Lindenwald durch Überhiebe entstandenen Lücken wieder zu schießen. Dabei gab man der Pflanzung von Eichen-Heistern den Vorzug. Nach 1945 fand auf Grund der Lage des Waldes im Sperrgebiet keine geregelte Forstwirtschaft statt. Es gab auch keine Reparationshiebe. In den anschließenden Jahrzehnten folgte die forstliche Bewirtschaftung den Vorgaben der Behandlungsrichtlinie für das Naturschutzgebiet, so dass die alten Wälder erhalten werden konnten.

Ausgewählte Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-RichtlinieTextfeld öffnenTextfeld öffnen

Lebensraumtypen und Flora

Prägend für das Gebiet sind der namengebende Lindenreichtum sowie ein hoher Anteil sehr alter knorriger Bäume. Dabei handelt es sich vorwiegend um Eichen, Hainbuchen und Kiefern als Relikte ehemaliger Hudewaldwirtschaft. Nach einer mehrere Jahrzehnte währenden militärischen Nutzung des Waldgebietes im 20. Jahrhundert findet heute nur eine eingeschränkte forstwirtschaftliche Nutzung statt. Die Wälder des Gebietes können zwei Lebensraumtypen zugeordnet werden. Dominierend sind lindenreiche Eichen-Hainbuchen- Wälder des LRTs 9170 Labkraut- Eichen-Hainbuchenwald (215 ha), die im Zentrum des Gebietes zusammenhängend eine große Fläche einnehmen. Dank eines hohen Anteiles der Reifephase ist die Strukturausstattung der Wälder mit einem hohen Anteil an höhlenreichen Biotop- und Altbäumen sowie starkem Totholz als gut bis hervorragend einzuschätzen. Bestand bildend sind Stiel- und Trauben-Eiche (Quercus robur, Q. petraea), Winter-Linde (Tilia cordata) sowie Hainbuche (Carpinus betulus). Bemerkenswert ist das Auftreten von natürlicher Verjüngung der Eichen-Arten in Bestandeslücken, die sich zu Zeiten geringer Schalenwildbestände während der militärischen Nutzung des Gebietes durch sowjetische Streitkräfte etabliert haben. Die Krautschicht der Wälder ist artenreich, es fehlen aber bis auf einzelne Vorkommen des Wald-Labkrautes (Galium sylvaticum) die typischen Charakterarten des Labkraut-Eichen-Hainbuchenwaldes. Regelmäßig vorhanden sind dagegen Wald- und Hain-Veilchen (Viola reichenbachiana, V. riviniana), Buschwindröschen (Anemone nemorosa) sowie auf frischen Standorten Scharbockskraut (Ranunculus ficaria) aus der Gruppe der Frühjahrsblüher. Typisch sind weiterhin eine Reihe von niedrig- bis mittelwüchsigen Gräsern wie Wald-Zwenke (Brachypodium sylvaticum), Wald-Reitgras (Calamagrostis arundinacea), Wald-Knaulgras (Dactylis polygama), Rasen- und Draht-Schmiele (Deschampsia cespitosa, D. flexuosa), Nickendes Perlgras (Melica nutans) und Hain-Rispengras (Poa nemoralis). Dazu treten als weitere charakteristische Arten Maiglöckchen (Convallaria majalis), Schattenblümchen (Maianthemum bifolium), Wiesen-Wachtelweizen (Melampyrum pratense), Mauerlattich (Mycelis muralis), Vielblütige Weißwurz (Polygonatum multiflorum) und Echte Sternmiere (Stellaria holostea) auf.

Bei dem zweiten Wald-Lebensraumtyp handelt es sich um den FFH-LRT 9190 Eichenwälder auf Sandebenen (30 ha), der auf sechs relativ kleinen Teilflächen vertreten ist. Obwohl auch hier ein hoher Anteil der Reifephase vorhanden ist und die Strukturausstattung ebenfalls überwiegend einen günstigen Erhaltungszustand aufweist, werden Defizite durch die teilweise auf unter 50 % abgesunkenen Eichen-Anteile deutlich. In beiden Eichen-Lebensraumtypen treten starke Beeinträchtigungen durch wechselnde, z. T. bereits hohe Anteile der Spätblühenden Traubenkirsche (Prunus serotina) als invasivem Neophyt auf. Unter den Pflanzenarten sind die im Tiefland seltenen Arten Salomonssiegel (Polygonatum odoratum) und Ästige Graslilie (Anthericum ramosum) sowie das Vorkommen des Großblütigen Fingerhutes (Digitalis grandiflora) hervorzuheben, der hier an seiner nordwestlichen Verbreitungsgrenze wächst.

Fauna

Das Gebiet bietet mit den strukturreichen alten Wäldern mit großem Angebot an Höhlenbäumen und Totholz ideale Habitatbedingungen für arten- und individuenreiche Vorkommen wertgebender Arten der Fledermäuse. Die Vorkommen der Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) befinden sich im FFH-Gebiet in einem hervorragenden Erhaltungszustand. Gleiches gilt für die Bestände des Braunen Langohres (Plecotus auritus). Weitere aktuell nachgewiesene Fledermausarten sind Wasserfledermaus, Fransenfledermaus, Graues Langohr (Myotis daubentonii, M. nattereri, Plecotus austriacus) und Großer Abendsegler (Nyctalus noctula).
Im Gebiet ist die Zauneidechse (Lacerta agilis) mit einer kleinen Population vertreten.

Von überregionaler Bedeutung sind die Vorkommen xylobionter Käfer. Der Heldbock (Cerambyx cerdo) kommt aktuell an mehreren Brutbäumen vor, ebenso der Hirschkäfer (Lucanus cervus) und der Eremit (Osmoderma eremita). Es handelt sich hierbei um individuenreiche Vorkommen in einem günstigen Erhaltungszustand. Neben diesen in die Anhänge der FFH-Richtlinie aufgenommenen Arten wurden im Landesteil des Colbitzer Lindenwaldes weitere 23 Käferarten festgestellt, die in Deutschland mehr oder weniger als bestandsbedroht gelten, darunter mit Ampedus cardinalis, Prionychus melanarius und Camptorhinus statua drei bundesweit vom Aussterben bedrohte Arten. Als eine weitere seltene Käfer-Spezies ist der Veilchenblaue Wurzelhals-Schnellkäfer (Limoniscus violaceus) im Gebiet nachgewiesen worden.

Das Gebiet ist Teil des großflächigen EU SPA „Colbitz-Letzlinger Heide“. Die Avifauna wird durch eine hohe Dichte wertgebender Arten wie die des Mittelspechtes (Dendrocopos medius) gekennzeichnet. Als weitere Arten des Anhanges I der Vogelschutzrichtlinie kommen Schwarzspecht (Dryocopus martius) und Wespenbussard (Pernis apivorus) als Brutvögel vor.

Literatur: 7, 15, 65, 207, 212, 264, 279, 294, 300, 304,

verändert nach:

Jentzsch, M. und Reichhoff, L. (2013): Handbuch der FFH-Gebiete Sachsen-Anhalts. Hrsg. Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 616 Seiten

Links / Dokumente

Hauptteil (N2000-LVO LSA)

Gebietsbezogene Anlage (N2000-LVO)

Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen

Auf den Flächen des Truppenübungsplatzes Altmark gilt die Vereinbarung über den Schutz von Natur und Landschaft auf militärisch genutzten Flächen des Bundes (Vereinbarungsgebiete).
Ministerialblatt LSA 2011, Nr. 38

Bereiche des Gebietes, die nicht Teil des Truppenübungsplatzes sind, unterliegen der Allgemienverfügung des Landkreises Börde aus dem Jahr 2016. (Siehe dazu auch § 16 N2000-LVO LSA)
Amtsblatt Landkreis Börde 2016 Nr. 17

Den Standarddatenbogen sowie den Managementplan des Gebietes finden Sie auf der Internetseite des Landesamtes für Umweltschutz.

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