Dessau-Wörlitzer Elbauen (FFH0067)

Totholzreicher Auenwald im NSG Crassensee © Jörg KöhlerTotholzreicher Auenwald im NSG Crassensee © Jörg Köhler

Größe [ha]: 7.582
Landkreise und kreisfreie Städte: Stadt Dessau-Roßlau; Wittenberg
Verwaltungseinheiten:Einheitsgemeinde Stadt Coswig (Anhalt); Einheitsgemeinde Stadt Kemberg; Einheitsgemeinde Stadt Dessau-Roßlau; Einheitsgemeinde Stadt Lutherstadt Wittenberg; Einheitsgemeinde Stadt Oranienbaum-Wörlitz

Gebietsbeschreibung

Die Dessau-Wörlitzer Elbauen als FFH-Gebiet erstrecken sich zwischen dem Crassensee nördlich Seegrehna im Osten und der Mulde im Westen. Sie stellen einen naturschutzfachlich äußerst wertvollen Ausschnitt aus dem Mittelelbegebiet dar. Bei Hochwasser können die Flächen noch weitgehend überflutet werden, nur die Kliekener und Coswiger Auen sind eingedeicht. Der Raum südlich der Elbe ist Kerngebiet einer gestalteten historischen Kulturlandschaft, dem Gartenreich Dessau-Wörlitz, das in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts geschaffen wurde und im Jahre 2000 von der UNESCO als Welterbe anerkannt wurde. Das FFH-Gebiet ist Teil des weit größeren EU SPA „Mittlere Elbe einschließlich des Steckby-Lödderitzer Forstes“. Innerhalb des FFH-Gebietes befindet sich das NSG Crassensee, das NSG Krägen-Riss, das NSG Saarenbruch-Matzwerder, das NSG Schönitzer See sowie das NSG Untere Mulde (Interaktive Karte der NSG).

Lebensraumtypen und Flora

Die Elbe bestimmt mit ihren sommerlichen Niedrigwassern und den Winterhochwassern das hydrologische Regime der Aue. Im Sommer fallen weite Buhnenfelder trocken, so dass sich auf den Sand-, Kies- und Schlammbänken ephemere Fluren des FFH-LRT 3270 Flüsse mit Schlammbänken (354 ha) ausbilden können. Charakteristische Arten des Elbeabschnittes sind Hirschsprung (Corrigiola litoralis), Kleines Flohkraut (Pulicaria vulgaris), Sumpfquendel (Peplis portula), Braunes Cypergras (Cyperus fuscus), Wurzelnde Simse (Scirpus radicans) und Schlammling (Limosella aquatica). Kleine Fließe und Gräben werden von dem FFH-LRT 3260 Flüsse mit Wasservegetation (15 ha) besiedelt. Die Fließwassergesellschaften prägen Einfacher Igelkolben (Sparganium emersum), Durchwachsenblättriges, Schwimmendes und Glänzendes Laichkraut (Potamogeton perfoliatus, P. natans, P. lucens), Schwanenblume (Butomus umbellatus) und Pfeilkraut (Sagittaria sagittifolia).

Die Altwasser, Flutrinnen und Kolke werden von einer artenreichen Wasservegetation des FFH-LRT 3150 Eutrophe Seen (200 ha) besiedelt. Hier kommen submerse und Schwimmblattgesellschaften mit Spitz-, Stumpfblättrigem oder Haar-Laichkraut (Potamogeton acutifolius, P. obtusifolius, P. trichoides), Gelber Teichrose (Nuphar lutea) und Weißer Seerose (Nymphaea alba) sowie Wassernuss (Trapa natans), Froschbiss (Hydrocharis morsus-ranae), Krebsschere (Stratiotes aloides) und Schwimmfarn (Salvinia natans) vor. Eine Besonderheit stellt der Saarensee in der Kliekener Aue dar. Das sich heute innerdeichs erstreckende und damit nicht mehr überflutete Gewässer durchlief, bedingt durch seine Lage am unmittelbaren Auenrand und gespeist durch Schichtquellen der Fläminghochfläche, vermutlich über 2500 Jahre hinweg eine sauer-mesotrophe Verlandungsreihe über Schwingriede und Erlen-Bruchwald. Bezeichnend waren die ausgedehnten Unterwasserrasen des Mooses Fontinalis antipyretica. Nach Eutrophierung in den 1960er Jahren stellte sich ein sauer-eutropher Status ein. Noch heute existieren die Schwingriede mit Rispen-Segge (Carex paniculata), Sumpffarn (Thelypteris palustris) und Sumpf-Calla (Calla palustris). Außerdem zeugen die Vorkommen der in Mitteldeutschland seltenen Schnecken Valvata macrostoma, Marstoniopsis scholtzi, Pisidium pseudosphaerium und Sphaerium nucleus von den früheren ökologischen Verhältnissen.

Großflächige Wälder des FFH-LRT 91F0 Hartholzauenwälder (2126 ha) breiten sich, unterbrochen von Wiesen, in vielen Komplexen aus. Stiel-Eiche (Quercus robur), Gemeine Esche (Fraxinus excelsior), Feld-Ahorn (Acer campestre), Wild-Apfel (Malus sylvestris), Wild-Birne (Pyrus achras) und Vogelkirsche (Prunus avium) prägen die Bestände. In der artenreichen Feldschicht fällt insbesondere der reiche Frühjahrsflor mit Buschwindröschen und Gelbem Windröschen (Anemone nemorosa, A. ranunculoides), Frühlings-Platterbse (Lathyrus vernus), Echtem Lungenkraut (Pulmonaria officinalis) und Echter Sternmiere (Stellaria holostea) auf. Seltene Arten des Gebietes sind Wiener Blaustern (Scilla vindobonensis), Gedenkemein (Omphalodes scorpioides) und Knoten-Beinwell (Symphytum tuberosum). Im Hochsommer tritt die Behaarte Schuppenkarde (Virga pilosa) auffällig häufig auf. An den Ufern der Elbe haben sich Galeriewälder des FFH-LRT 91E0* Weichholzauenwälder (120 ha) entwickelt. Silber- Weide und Fahl-Weide (Salix alba, S. x rubens) sowie Schwarz-Pappel (Populus nigra) prägen die Bestände. In der Strauchschicht treten Korb- und Mandel-Weide (Salix viminals, S. triandra) hinzu.
Auf höher gelegenen Flächen z. B. der Kapenniederung im Übergang zur Oranienbaumer Heide, aber auch auf Dünen, sind Gesellschaften des FFH-LRT 9160 Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwälder (96 ha) entwickelt. Die Hainbuchen-Ulmen-Hangwälder gehören zum FFH-LRT 9170 Labkraut-Eichen-Hainbuchen-Wälder. Im Sauren Kapen wird ein kleiner Bestand des FFH-LRT 9190 Eichenwälder auf Sandebenen (0,4 ha) in das Gebiet eingebunden. Nur auf der Hochfläche an der Schlangengrube zwischen Roßlau und Klieken treten Buchenwälder auf, die zum FFH-LRT 9110 Hainsimsen-Buchenwald (0,3 ha) und zum FFH-LRT 9130 Waldmeister-Buchenwald (0,2 ha) gehören.

Auf dem Grünland hat sich in den zurückliegenden zwanzig Jahren durch die weitgehend ohne Stickstoffdüngung ausgeübte Mahdnutzung wieder ein großflächiger Artenreichtum regeneriert. Standörtlich und naturschutzfachlich bestimmend sind die Bestände des FFH-LRT 6440 Brenndolden-Auenwiesen (323 ha). Charakteristische Auenarten sind Vielblütiger und Goldschopf-Hahnenfuß (Ranunculus polyanthemos, R. auricomus), Kleines Mädesüß (Filipendula vulgaris), Brenndolde (Cnidium dubium), Nordisches Labkraut (Galium boreale), Silau (Silaum silaus), Kümmel-Silge (Selinum carvifolium), Weidenblättriger Alant (Inula salicina), Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica), Landblättriger Blauweiderich (Veronica maritima), Kanten-Lauch (Allium angulosum) und Färber-Scharte (Serratula tinctoria). Neben den Auenwiesen bestehen großflächige Bestände des FFH-LRT 6510 Magere Flachland-Mähwiesen (756 ha) mit Scharfem Hahnenfuß (Ranunculus acris), Wiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare), Wiesen-Glockenblume (Campanula patula), Wiesen- und Echtem Labkraut (Galium album, G. verum) und vielen anderen Arten. Im Sauren Kapen wurde eine Fläche mit dem FFH-LRT 6410 Pfeifengraswiesen (1 ha) erfasst. Hervorzuheben ist der Solitäreichenbestand auf den Wiesen mit mehreren Tausend Bäumen, darunter vielen knorrigen Alteichen.
An den Ufern der Elbe und weiteren Fließgewässern, an Gräben und Standgewässern sowie an Waldrändern sind Bestände des FFH-LRT 6430 Feuchte Hochstaudenfluren (29 ha) ausgebildet. Diese reichen von den Brennnessel (Urtica dioica)-Seiden (Cuscuta europaea)- und Katzenschwanz (Leonurus marrubiastrum)-Gesellschaften über Giersch (Aegopodium podagraria)- bis hin zu den Sumpfwolfsmilch (Euphorbia palustris)-Blauweiderich (Veronica maritima)-Fluren.

Fauna

Das Gebiet stellt in weiten Teilen einen sehr gut geeigneten Lebensraum für Biber (Castor fiber) und Fischotter (Lutra lutra) dar. Beide Arten besiedeln die Elbaue flächendeckend. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gehörte das Gebiet zum letzten Rückzugsraum der autochthonen Unterart des Elbebibers. Von hier aus erfolgte dann die Wiederbesiedlung angrenzender Regionen. Für zahlreiche Fledermausarten bieten die Wälder in Verbindung mit den vielen Gewässern einen wertvollen Sommerlebensraum. Während das Große Mausohr (Myotis myotis) das Gebiet als Nahrungshabitat nutzt, liegen von der Mopsfledermaus (Barbastella barbastellus) Reproduktionsnachweise vor. Auch Brandt- Mücken-, und Wasserfledermaus (Myotis brandtii, Pipistrellus pygmaeus, M. daubentonii) sowie Großer und Kleinabendsegler (Nyctalus noctula, N. leisleri) nutzen das Gebiet als Fortpflanzungsstätte. Vor allem Mücken- und Wasserfledermaus, aber auch Großer Abendsegler können als Charakterarten des Gebietes bezeichnet werden. Nicht nur während der Jungenaufzucht, sondern auch während der Zugzeit hat das Gebiet eine große Bedeutung für Fledermäuse. Vor allem Rauhaut- (Pipistrellus nathusii) und Mückenfledermaus, aber auch Großer und Kleinabendsegler kommen hier vor.

Die gewässerreiche Elbeaue wird im Überflutungsgebiet nur von einigen Lurcharten flächendeckend besiedelt, während andere Arten lückenhaft verbreitet sind. Dies trifft besonders für den Kammmolch (Triturus cristatus) zu, der in wenigen, oft deichnahen Gewässern nachgewiesen wurde. Die Verbreitung der Rotbauchunke (Bombina bombina) weist gegenwärtig eine Lücke östlich von Wörlitz auf. Ähnlich verhält es sich mit dem Laubfrosch (Hyla arborea). Während er in der Aue nördlich von Dessau-Waldersee regelmäßig und ziemlich häufig zu hören ist, gibt es in der Wittenberger Elbaue keine Nachweise. Der Moorfrosch (Rana arvalis) ist besonders in den bewaldeten Bereichen der Aue anzutreffen. Die wegen des festen Auenlehms nicht so häufige Knoblauchkröte (Pelobates fuscus) findet dennoch auch im Gebiet einige Stellen mit grabbarem Substrat.

Rheophile Fischarten haben in der Elbe ideale Lebensbedingungen. So wird der Flussabschnitt auch von den im Rahmen des Wiederansiedlungsprojektes in Sachsen und Tschechien ausgesetzten Junglachsen (Salmo salar) passiert und erste Hinweise belegen den Durchzug einzelner Rückkehrer. In den letzten Jahren wurde auch das ehemals verschollene Flussneunauge (Lampetra fluviatilis) wieder nachgewiesen, das auch in die im Gebiet einmündenden Bäche zum Laichen aufsteigt. Auch der in der Elbe aktuellt verbreitet vorkommende Rapfen (Aspius aspius) ist hier anzutreffen. An den Fluss angebundene Altwässer bieten der Art Jungfisch-Aufwuchsgebiete. Der Stromgründling (Romanogobio belingi) wurde nach seinem Erstnachweis 1999 wiederholt im Elbeabschnitt nachgewiesen. Die Altwässer und Kolke bieten, sofern sie nicht zu stark verschlammt sind und einen Bestand an Teichmuscheln (Anodonta anatina) aufweisen, dem Bitterling (Rhodeus amarus) zusagenden Lebensraum. Dieser Kleinfisch kommt in einigen Gewässern in stabilen Bestandsgrößen vor. In Verbindungs- oder Entwässerungsgräben, mitunter auch in Flachwasserzonen der Altwässer mit Schlammauflagen, siedelt der Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis). In dem zur Mulde fließenden Gewässersystem Pelze-Leinersee-Löbben-Kapengraben lebt der Steinbeißer (Cobitis taenia). Das Bachneunauge (Lampetra planeri) tritt in den aus dem Fläming zufließenden Bäche Rossel, Olbitzbach und Grieboer Bach in erheblicher Anzahl auf.

Von den wertgebenden Insekten finden Eremit (Osmoderma eremita), Heldbock (Cerambyx cerdo) und Hirschkäfer (Lucanus cervus) hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten in den Alteichen. Für den Heldbock stellt das Gebiet ein Vorkommensschwerpunkt in Sachsen-Anhalt dar. Vom Schmalbindigen Breitflügel-Tauchkäfer (Graphoderus bilineatus) gibt es Artnachweise erst aus den letzten Jahren. In Elbeabschnitten entwickelt sich zudem die Grüne Keiljungfer (Ophiogomphus cecilia). Es wurden Exuvien und Imagines festgestellt. Sandige Buhnenfelder besiedelt die Asiatische Keiljungfer (Gomphus flavipes). Die Grüne Mosaikjungfer (Aeshna viridis) lebt stenök an Weihern und ähnlichen Gewässern mit Bindung an Krebsscherenbestände, wurde allerdings im Jahre 2002 letztmalig erfasst. Vom Goldenen Scheckenfalter (Euphydrias aurinia) und vom Eschen-Scheckenfalter (Euphydrias maturna) gibt es nur Altbelege, von letzterem aus den Jahren 1909 und 1933. Durch das Vorhandensein potenzieller Habitate kann die Art aber durchaus noch vorkommen. Seit dem Jahrhunderthochwasser im Jahre 2002 steht für den Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea nausithous) noch eine aktuelle Wiederbestätigung aus, obwohl inzwischen in ehemaligen Vorkommensbereichen bereits eine Wiederbesiedlung mit der Wirtsameise Myrmica rubra erfolgte.

Das Gebiet ist Teil eines EU SPA und besitzt große Bedeutung für zahlreiche Brut- und Gastvögel, darunter für Rot- und Schwarzmilan (Milvus milvus, M. migrans) als Dichtezentrum. Vor allem Letzterer erreicht hier deutschlandweit herausragende Abundanzen. Auch Fischadler (Pandion haliaetus), Seeadler (Haliaeetus albicilla) und Wanderfalke (Falco peregrinus) brüten in der Elbaue. Der Mittelspecht (Dendrocopos medius) ist in den alteichenreichen Auenwäldern flächendeckend verbreitet. Die vielen Altarme und Altwasser bieten zahlreichen Wasservogelarten ideale Bruthabitate, so u. a. Graugans (Anser anser), Schellente (Bucephala clangula), Rohrweihe (Circus aeruginosus), Kranich (Grus grus) oder Drosselrohrsänger (Acrocephalus arundinaceus), bei günstigen hydrologischen Voraussetzungen auch dem Tüpfelsumpfhuhn (Porzana porzana). Auf Sandbänken in den Buhnenfeldern der Elbe brüten regelmäßig Flussregenpfeifer (Charadrius dubius). Während der Zugzeiten rasten zahlreiche Vogelarten in teils großer Zahl, insbesondere bei Vorhandensein flach überfluteter Grünländer. Dazu gehören Singschwan (Cygnus cygnus), Saatgans (Anser fabalis), Blässgans (Anser albifrons) und Gänsesäger (Mergus meganser). Die Gewässer werden von diesen Arten auch zum Übernachten genutzt. Im Umfeld brütende Weiß- und Schwarzstörche (Ciconia ciconia, Ciconia nigra) fliegen zur Nahrungssuche regelmäßig in das Gebiet ein.

Literatur: 121, 207, 212, 260, 264, 279, 343, 345, 361, 407, 409, 411, 483, 529, 546

verändert nach:

Jentzsch, M. und Reichhoff, L. (2013): Handbuch der FFH-Gebiete Sachsen-Anhalts. Hrsg. Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 616 Seiten

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