Fiener Bruch (FFH0158)

Größe [ha / km]: 1 / 157
Landkreise und kreisfreie Städte: Jerichower Land
Verwaltungseinheiten:Einheitsgemeinde Stadt Genthin; Einheitsgemeinde Stadt Jerichow

Gebietsbeschreibung

Das „Fiener Bruch“ ist eine historische Kulturlandschaft im Baruther Urstromtal. Im 18. Jahrhundert begann die Urbarmachung der ausgedehnten Moorniederung durch Meliorationsmaßnahmen. Mit der Anlage zahlreicher Entwässerungsgräben wurde großflächig Grünlandnutzung ermöglicht. Das FFH-Gebiet ist auf das Netz der drei bis sechs Meter breiten, von Grünland eingefassten Gräben begrenzt. Das EU SPA greift über das FFH-Gebiet hinaus und umschließt nahezu den gesamten Fiener im Land Sachsen-Anhalt.

Ausgewählte Arten nach Anhang II der FFH-RichtlinieTextfeld öffnenTextfeld öffnen

Ausgewählte Arten nach Anhang IV der FFH-RichtlinieTextfeld öffnenTextfeld öffnen

Lebensraumtypen und Flora

In den Gräben siedeln Bestände des FFH-LRT 3260 Flüsse mit Wasservegetation (12,4 ha). Der LRT ist in den Hauptfließgewässern Kietzer Bach, Tucheimer Bach, Tucheimer Grenzgraben, Landgraben und Karower Hauptgraben ausgebildet. Lebensraumtypisches Arteninventar ist durchweg vorhanden. So kommen die charakteristischen Pflanzen Berle (Berula erecta), Pfeilkraut (Sagittaria sagittifolia), Einfacher Igelkolben (Sparganium emersum), Gelbe Teichrose (Nuphar lutea), Schwimmendes Laichkraut (Potamogeton natans), Sumpf-Wasserstern (Callitriche palustris agg.), Schwanenblume (Butomus umbellatus), Gauchheil-Ehrenpreis (Veronica anagallis-aquatica) und Bachbunge (Veronica beccabunga) vor. Allerdings liegen starke Beeinträchtigungen vor, da fast alle Gewässerabschnitte einer intensiven Unterhaltung unterliegen, zumeist begradigt sind und ein künstlich durch Staue beeinflusstes Abflussverhalten besitzen. Zudem treten in einigen Habitatflächen, z. B. am Tucheimer Grenzgraben, Neophyten auf oder es fehlen naturnahe Gewässerrandstreifen (Kietzer Bach). In längeren niederschlagsarmen Perioden fallen die Gräben teilweise trocken. Die Unterhaltung der zahlreich vorhandenen Gräben erfolgt zumeist einmal pro Jahr, je nach Bewuchshöhe in der Regel beidseitig.

Entlang der Fließgewässer wurde der FFH-LRT 6430 Feuchte Hochstaudenfluren als linienhafte Struktur angetroffen (< 1,0 ha). Es kommen charakteristische Stauden wie Zaun-Winde (Calystegia sepium), Bittersüßer Nachtschatten (Solanum dulcamara), Wasserdost (Eupatorium cannabinum), Gemeiner Hopfen (Humulus lupulus), Großes Mädesüß (Filipendula ulmaria), Sumpf-Dotterblume (Caltha palustris), Knotige Braunwurz (Scrophularia nodosa), Blutweiderich (Lythrum salicaria), Wasser-Schwertlilie (Iris pseudacorus), Gemeiner Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris) und Behaartes Weidenröschen (Epilobium hirsutum) vor. Durch die Gewässerunterhaltungsmaßnahmen und randlich angrenzende Nutzungen werden die Staudenfluren beeinträchtigt. Ablagerungen von Gewässeraushub und Pflanzenresten führen zu einer zunehmenden Eutrophierung, in deren Folge sich die Artenzusammensetzung verschiebt.

Fauna

Das gesamte Gewässersystem im Fiener Bruch ist Habitat des Fischotters (Lutra lutra). Es kann davon ausgegangen werden, dass hier auch eine Reproduktion der Art erfolgt. Das Grabensystem ist zumeist arm an Fischen. Ausnahmen bilden lediglich die vom Fläming her einströmenden, relativ naturnahen Fließgewässer Tuchheimer Bach und Kietzer Bach, in denen individuenreichere Populationen von Drei- und Neunstachligem Stichling (Pungitius pungitius), Schmerle (Neomacheilus barbatulus) und Gründling (Gobio gobio) sowie an strömungsberuhigten Stellen Moderlieschen (Leucaspius delineatus) vorkommen. Gründe der Fischarmut sind in der intensiven Grabenunterhaltung zu vermuten, die durch Wälle organischer Substanz an den Grabenufern und die relative Makrophytenarmut in den Gräben im Spätsommer deutlich wird. Eventuell ehemals vorhandene Fischbestände, möglicherweise einschließlich Schlammpeitzger, dürften durch die Unterhaltungsarbeiten beseitigt worden sein. Eine Neubesiedlung kann nur über die zufließenden Bäche (Tuchheimer Bach, Kietzer Bach) erfolgen, wird jedoch durch Stauanlagen und durch die bereits benannte Grabenunterhaltung erschwert. Zudem fallen auch einige Gräben temporär trocken.

Das übergreifende EU SPA hat eine herausragende Bedeutung als letztes regelmäßig besetztes Einstandsgebiet der Großtrappe (Otis tarda) in Sachen-Anhalt. Die ausgedehnten, in Teilen noch extensiv genutzten Grünlandflächen im Vogelschutzgebiet, sind dabei wichtige Habitatelemente bezüglich Balz und Brutgeschehen dieser vom Aussterben bedrohten Art. Aktuell leben ca. 20 Großtrappen im Gebiet. Zum landesweiten Rückgang der Großtrappe maßgeblich beigetragen hat eine Veränderung der Landnutzung in den letzten Jahrzehnten, wobei insbesondere die Intensivierung der Landwirtschaft eine zentrale Rolle gespielt hat. Häufige Mahd, artenarme Grünlandbestände, verarmende Fruchtfolgen im Ackerbau, Pflügen/Umbrechen direkt nach der Ernte, Einsatz von Pflanzenschutzmitteln sowie Beseitigung von Rainen und Säumen an Wegen und Gräben führten sowohl auf den meisten Grünland- als auch Ackerflächen zum Rückgang der Arthropodenbestände, so dass junge Großtrappen in den ersten Lebenstagen oft keine ausreichende Nahrung finden. Daneben führte die Entwässerung der Niedermoorböden im Fiener Bruch einerseits zu Torfsackungen und andererseits zur Austrocknung, wobei letztere wiederum die Winderosion begünstigte. Um diese einzuschränken, wurden Baumreihen gepflanzt, die aufgrund ihrer mittlerweile erreichten Höhen den Lebensraum der Großtrappen weiter entwerteten, da die für den Steppenvogel erforderliche Übersichtlichkeit der Landschaft zunehmende eingeschränkt wurde. Weitere wertgebende Brutvögel sind Großer Brachvogel (Numenius arquata) und Kiebitz (Vanellus vanellus). Das EU SPA ist zudem ein bedeutendes Rast- und Nahrungsgebiet für Goldregenpfeifer (Pluvialis apricaria), Kiebitz (Vanellus vanellus), Kornweihe (Circus cyaneus), Raufußbussard (Buteo lagopus), Singschwan (Cygnus cygnus) und Weißstorch (Ciconia ciconia).

Literatur: 22, 34, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 66, 67, 103, 207, 212, 223, 259

verändert nach:

Jentzsch, M. und Reichhoff, L. (2013): Handbuch der FFH-Gebiete Sachsen-Anhalts. Hrsg. Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 616 Seiten

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