Nordöstlicher Unterharz (SPA0019)

Selketal im Harz © Stefan Ellermann (LAU)Selketal im Harz © Stefan Ellermann (LAU)

Größe [ha]:17.015
Landkreise und kreisfreie Städte:Harz
Verwaltungseinheiten:Einheitsgemeinde Stadt Ballenstedt; Einheitsgemeinde Stadt Falkenstein/Harz; Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am Brocken; Einheitsgemeinde Harzgerode; Einheitsgemeinde Stadt Quedlinburg; Einheitsgemeinde Stadt Blankenburg (Harz); Einheitsgemeinde Stadt Thale

Gebietsbeschreibung

Mit 17.015 ha ist das EU SPA Nordöstlicher Unterharz eines der größten EU-Vogelschutzgebiete in Sachsen- Anhalt. Es besitzt eine Ost-West-Ausdehnung von ca. 30 km. Im Westen befindet sich die Rappbodetalsperre, die hier die Grenze des EU SPA darstellt. Im Norden begrenzen die Orte Thale, Gernrode und Ballenstedt das Vogelschutzgebiet. Im Osten schließt sich Meisdorf an. Von dort verläuft die Grenze in Richtung Süden bis Harzgerode und weiter über Friedrichsbrunn und Allrode bis Hasselfelde. Der zwischen Rieder und Ballenstedt betriebene Steinbruch befindet sich zwar inmitten des Waldgebietes, ist jedoch als Exklave aus dem EU SPA ausgegrenzt.

Das Gebiet wurde im Jahr 2000 als EU-Vogelschutzgebiet gemeldet. Es wurde 2018 mit Inkrafttreten der Landesverordnung Natura 2000 (N2000-LVO LSA) rechtlich gesichert. Etwa zwei Drittel der Fläche sind auf 4 FFH-Gebiete verteilt. Das EU SPA ist Bestandteil des Naturparks Harz und befindet sich vollständig innerhalb der LSG "Harz" bzw. "Harz und Nördliches Harzvorland". Innerhalb des Gebietes ist eine Vielzahl an wertvollen Habitatkomplexen als NSG oder FND landesrechtlich gesichert, darunter Bode- und Selketal, Spaltenmoor sowie zahlreiche Klippen, Anhöhen und Waldwiesen. Konkret befindet sich Im Bereich des Vogelschutzgebietes das NSG "Alte Burg", das NSG "Anhaltinischer Saalstein", das NSG "Bodetal", das NSG "Burgesroth-Bruchholz", das NSG "Eichenberg", das NSG "Oberes Selketal", das NSG "Selketal", das NSG "Spaltenmoor", das NSG "Steinköpfe" (Interaktive Karte der NSG).



Das Gebiet ist im Wesentlichen dem Naturraum Unterharz zuzuordnen, mit Übergängen zur östlichen Harzabdachung bzw. zum nördlichen und nordöstlichen Harzvorland. Hinsichtlich der Landschaftseinheiten Sachsen-Anhalts sind im Gebiet Anteile am Mittelharz, Unterharz und dem nördlichen Harzrand vorhanden. Aufgrund von Niederschlagsmengen von deutlich über 600 mm pro Jahr und geringer Versickerungsfähigkeit des anstehenden Gesteins hat sich ein dichtes Fließgewässernetz herausgebildet (LAU 1997).

Die tief eingeschnittenen Täler von Selke und Bode prägen das Gebiet. Die Bode, ein breiter Gebirgsfluss, ist das bedeutendste Fließgewässer des Harzes und Kern eines nach Norden entwässernden Fließgewässersystems aus zahlreichen Bächen. Am nördlichen Harzrand bei Thale hat sie in den Ramberg-Granit ein gewaltiges Durchbruchstal mit fast senkrechten Steilhängen eingeschnitten, das von der Roßtrappe und vom Hexentanzplatz aus zur Talsohle Höhenunterschiede von fast 250 m erreicht. Der Abfluss der Bode wird seit Inbetriebnahme des Rappbode-Talsperrensystems um 1960 entsprechend der wasserwirtschaftlichen Erfordernisse gesteuert. Die wichtigsten Zufl­üsse im Oberlauf der Bode, Kalte Bode, Warme Bode und Rappbode, sind durch Unterbrechung der ökologischen Durchgängigkeit und des Geschiebetransports, Veränderung der Temperatur- und Sauerstoffverhältnisse in den Stauseen und die Veränderung des Abflussgeschehens gestört (BIETERGEMEINSCHAFT BODETAL 2011). Die Luppbode ist der einzige größere Bodezufluss, dessen Lauf nicht durch Talsperren unterbrochen wird.

Mehr als 90 % des reliefreichen und zumeist flachgründigen Vogelschutzgebietes sind bewaldet. Laubwälder, Nadelwälder und Mischwälder wechseln sich je nach Standort, anthropogener Beeinfl­ussung und Klima ab. An schwer zu bewirtschaftenden Hang- und Tallagen, aber auch am trockeneren Harzrand, dominieren Laubwälder. Die steilen Hanglagen, vor allem im Selke- und Bodetal, weisen teils einen recht naturnahen Zustand auf und sind überdurchschnittlich mit Totholz ausgestattet. Auf nährstoffarmen Granitplateaus bzw. an steilen Hängen und Bergkuppen finden sich Hainsimsen-Rotbuchenwälder. Im Gegensatz dazu stocken die weiter verbreiteten Waldmeister-Buchenwälder auf frischeren, etwas nährstoffreicheren Flächen. An südexponierten und ­flachgründigen Hängen befinden sich trockene Traubeneichen-Hainbuchenwälder. An schattigen Hanglagen finden sich Ahorn-Eschenwälder und in den von schmalen Wiesen geprägten Talgründen sind galeriewald- bis reihenartige Erlenbestände erhalten (KATTHÖVER 2005b). In den mäßig relieffierten Wäldern der Mittelharzhochfläche herrschen forstlich geprägte Wirtschaftswälder mit einem hohen Nadelholzanteil vor. Bei den Nadelwäldern handelt es sich meist um intensiv bewirtschaftete Fichten- oder auch Kiefernforste. Ein natürliches Kiefernvorkommen befindet sich im NSG Anhaltinischer Saalstein, in dem Kiefern gemeinsam mit der seltenen und stark gefährdeten Bärentraube vorkommen. Seit 2004 hat sich infolge von Borkenkäfer-Kalamitäten und Sturmschäden die von Kahlschlägen eingenommene Fläche stark erhöht. Auf den torfigen Böden des NSG "Spaltenmoor" sind Erlenbruchwälder zu finden, die in der Krautschicht mit Seggen, Wald-Reitgras und Siebenstern einhergehen. Natürliche vegetationsarme Flächen finden sich vor allem an den Felsen und Blockhalden des Bodetals.

Bei den zahlreich vorhandenen Stillgewässern handelt es sich meist um Stau- oder Fischteiche mit unterschiedlicher Naturnähe und Nutzungsintensität. In den vielen Quellbereichen des EU SPA haben die verschiedenen Gesellschaften der Quellbereiche und Feuchthabitate ihren Standort. Wertvolle Feuchtwiesen mit Knabenkraut, Herbstzeitlose oder Trollblume sind im Nordosten anzutreffen. An südexponierten Hängen oder flachgründigen Standorten sind dagegen Trocken- und Halbtrockenrasen zu finden. Hier finden sich unter anderem Federgras oder das Gemeine Sonnenröschen.

Touristische Attraktionen wie Roßtrappe und Hexentanzplatz bedingen einen relativ starken Besucherandrang auf das EU SPA südlich von Thale, zumal sich die Seilbahn-Bergstation Hexentanzplatz und der Tierpark Thale im Vogelschutzgebiet sowie weitere touristische Anziehungspunkte direkt an der Gebietsgrenze befinden. Das tief eingeschnittene Bodetal ist eines der beeindruckendsten Felstäler Deutschlandes nördlich der Alpen, so dass der Wanderweg im Tal zwischen Thale und Treseburg sowie die Aufstiegswege zur Roßtrappe und zum Hexentanzplatz von Wanderern stark frequentiert werden.

Bedeutung als Vogelschutzgebiet

Das große und vielgestaltige Waldgebiet mit den naturnahen Flusstälern von Selke und Bode sowie zahlreichen kleineren Fließgewässern und Teichen in den Nebentälern ist ein wichtiger Lebensraum für Wald und Gewässer bewohnende Vogelarten in den mittleren und unteren Höhenlagen des Harzes.

Für das Gebiet sind keine landesweit bedeutenden Rastvogelbestände bekannt.

Brutvögel

Das EU SPA Nordöstlicher Unterharz ist ein bedeutendes Brut- und Nahrungsgebiet für viele typische Waldvogelarten und stellt für eine große Zahl dieser Arten eines der fünf wichtigsten Gebiete Sachsen-Anhalts dar. Darunter sind Schwarzstorch, Wespenbussard, Wanderfalke, Uhu, Raufußkauz, Sperlingskauz, Grauspecht, Schwarzspecht, Mittelspecht und Zwergschnäpper zu nennen. Das ausgedehnte Waldgebiet mit den Tälern der Bode und Selke ist Lebensraum des Schwarzstorches, der im EU SPA mit 2 bis 3 Paaren brütet (FISCHER & DORNBUSCH 2005, KATTHÖVER 2005b). In den Tälern von Bode und Selke siedeln 1 bis 5 BP des Eisvogels und auch Wasseramsel und Gebirgsstelze finden hier geeignete Habitate (KATTHÖVER 2005b).

Zu den Greifvogelarten des Unterharzes gehören Wespenbussard und Rotmilan. Für den Wespenbussard wird der Bestand auf 5 bis 15 Paare geschätzt, was gemessen am Landesbestand bedeutend ist (KATTHÖVER 2005b). Eine Besonderheit ist der Wanderfalke, der mit 4 bis 5 BP im EU SPA vorkommt. An den Hängen des Roßtrappenmassivs im Unterharz verwaiste 1974 der letzte Wanderfalken-Brutplatz Ostdeutschlands. Ausgehend von der Roßtrappe begann 1980 auch die Wiederbesiedlung Sachsen-Anhalts durch den Wanderfalken, so dass das Vorkommen im Unterharz das Kerngebiet der Landespopulation darstellt (R. Ortlieb, pers. Mitt., ROCKENBAUCH 1998). Daneben bietet der Unterharz auch einem weiteren Felsbrüter Lebensraum, dem Uhu. Nach M. Wadewitz in KATTHÖVER (2005b) besiedelt der Uhu den Nordöstlichen Unterharz mit bis zu 2 BP. Im Januar 2010 konnte E. Kartheuser im Bereich Rosstrappe/ Hexentanzplatz drei rufende Exemplare im Umfeld des Bergzoos Thale feststellen (BIETERGEMEINSCHAFT BODETAL 2011). Weitere Eulenarten des Gebietes sind Raufußkauz und Sperlingskauz. Mit 8 BP beherbergt das EU SPA 13,3 % des Landesbestandes des Sperlingskauzes. Der Bestand des Raufußkauzes konnte über die Landeserfassung auf 4 BP beziffert werden, was einen Anteil von 2,2 % am Landesbestand ergibt (PSCHORN 2011a). 2011 wurden innerhalb von Probeflächen im FFH-Gebiet Bodetal (BIETERGEMEINSCHAFT BODETAL 2011) allein schon 4 Reviere festgestellt, was auf einen höheren Gesamtbestand im EU SPA hinweist.

In den Laubwäldern des EU SPA brütet der Grauspecht in hoher Dichte, während die fichtenreicheren Bereiche gemieden werden. Auf Grund seiner großen Reviere und der nur stichprobenhaften Kartierung wird für den Bestand eine Spanne von 30 bis 80 BP angegeben (KATTHÖVER 2005b), wovon 10 bis 20 Paare allein im Bereich des FFH-Gebietes Bodetal siedeln (BIETERGEMEINSCHAFT BODETAL 2011). Der Maximalwert von 80 BP entspricht 16 % des Landesbestandes. Der Mittelspecht ist im Unterharz mit einer sehr hohen Dichte vertreten und besiedelt dort insbesondere die Waldbestände mit alten Eichen. Totholzreiche, kaum bewirtschaftete Eichenwälder nehmen an Steilhängen größere Flächen ein und ermöglichen dort diese hohen Siedlungsdichten. Der Bestand wird von KATTHÖVER (2005b) auf 150 bis 250 Paare geschätzt, was ausgehend vom Maximalwert einen Anteil von 7,1 % am Landesbestand ergibt. Anhand von Kartierungen im Jahr 2011 geschätzte 60 bis 80 Paare brüten allein im FFH-Gebiet Bodetal (BIETERGEMEINSCHAFT BODETAL 2011). Im Gegensatz zu Grau- und Mittelspecht ist der Schwarzspecht nicht zwingend an Laubwald gebunden, weshalb er den Unterharz nahezu flächendeckend besiedelt. Mit einem Bestand von 50 bis 60 BP ergibt sich ein Anteil am Landesbestand von 1,7 %.

Typische Buchenwaldbewohner im Unterharz sind Zwergschnäpper und Hohltaube. Im Erfassungsjahr 2004 konnte zwar kein Nachweis des Zwergschnäppers erbracht werden, dennoch wird der Bestand auf 1 bis 5 BP geschätzt (KATTHÖVER 2005b). Für das Jahr 2005 wird ein Revier des Zwergschnäppers südlich von Ballenstedt genannt (FISCHER & DORNBUSCH 2007). 2011 wurden innerhalb von Probeflächen im FFH-Gebiet Bodetal (BIETERGEMEINSCHAFT BODETAL 2011) sogar 4 singende Männchen verhört. Die an Schwarzspechthöhlen gebundene Hohltaube findet im EU SPA ausreichend Brutplätze vor und ist entsprechend häufig.

Im Gebiet verbreitete Bewohner der Gebirgsflüsse und -bäche sind Wasseramsel und Gebirgsstelze. Da viele Fließgewässer im EU SPA noch einen weitgehend naturnahen Charakter haben, sind beide Arten im Gebiet mit bemerkenswerten Beständen vertreten. Bei der Wasseramsel brüten im EU SPA 40 % des Landesbestandes. Auch der Eisvogel ist im Gebiet vertreten, findet hier aber weniger geeignete Uferabbrüche als im Tiefland.

Eine Besonderheit für das Selke- und Bodetal stellen die Bestände baumbrütender Mauersegler dar (nicht in Tab. 56 enthalten). Sie nisten in alten, jahrzehntelang ausgefaulten Buntspechthöhlen (GÜNTHER & Hellmann 1991).

Für Offenlandarten bietet der Unterharz weniger geeignete Lebensräume. So kommt der Neuntöter nur punktuell auf größeren Kahlschlagsflächen und außerhalb der geschlossenen Waldbereiche vor. Infolge von Borkenkäfer-Kalamitäten und Sturmschäden sind nach 2005 vielerorts neue Kahlschläge entstanden (BIETERGEMEINSCHAFT BODETAL 2011), so dass sich kurz- und mittelfristig das Habitatpotenzial für diese Art gegenüber der Ersterfassung (KATTHÖVER 2005b) verbessert hat. Langfristig nutzbare Offenlandhabitate fehlen jedoch. Die Bergwiesen als potenziell attraktives Habitat werden oft erst spät gemäht bzw. beweidet und sind damit zur Brutzeit für Neuntöter nicht als Nahrungshabitat nutzbar.

Literatur

verändert nach:

MAMMEN, K. & U.; DORNBUSCH, G.; FISCHER, S. (2013): Die Europäischen Vogelschutzgebiete des Landes Sachsen-Anhalt, Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Heft 10/2013.

Links / Dokumente

zum Anfang der Seite