Selketal und Bergwiesen bei Stiege (FFH0096)

Laubwälder im Selketal und Burg Falkenstein © Stefan Ellermann (LAU)Laubwälder im Selketal und Burg Falkenstein © Stefan Ellermann (LAU)

Größe [ha / km]: 4.522 / 10
Landkreise und kreisfreie Städte: Harz; Mansfeld-Südharz
Verwaltungseinheiten:Einheitsgemeinde Harzgerode; Einheitsgemeinde Stadt Ballenstedt; Einheitsgemeinde Stadt Falkenstein/Harz; Einheitsgemeinde Stadt Quedlinburg; Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am Brocken; Einheitsgemeinde Stadt Südharz

Gebietsbeschreibung

Das Selketal ist eines der beeindruckensten und vielgestaltigsten Kerb- und Sohlentäler des nördlichen Harzrandes. Das FFH-Gebiet umfasst das Quellgebiet und den Oberlauf der Selke im „Mittelharz“ um Stiege sowie im „Unterharz“ den Selkelauf bis Meisdorf einschließlich aller Nebentäler. Geologisch werden sehr unterschiedliche Einheiten berührt. Im Bereich des FFH-Gebietes befindet sich das NSG Albrechtshaus, das NSG Oberes Selketal, das NSG Selketal sowie das NSG Tännichen (Interaktive Karte der NSG).

Ausgewählte Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-RichtlinieTextfeld öffnenTextfeld öffnen

Lebensraumtypen und Flora

Im Rahmen der Erfassungen zum Managementplan im Jahr 2010 konnten 21 FFH-Lebensraumtypen nachgewiesen werden. Damit gehört das FFH-Gebiet Selketal und Bergwiesen bei Stiege zu den Gebieten mit der höchsten Diversität an Lebensraumtypen in Sachsen-Anhalt.

Die Waldmeister-Buchenwälder des FFH-LRT 9130 (750 ha) nehmen den größten Flächenanteil der Waldlebensraumtypen ein. Hier kommen Waldmeister (Galium odoratum), Einblütiges Perlgras (Melica uniflora) und Waldgerste (Hordelymus europaeus) vor. Auf ärmeren und verhagerten Böden gehen die Bestände in den FFH-LRT 9110 Hainsimsen-Buchenwälder (420 ha) über. Typische Arten in der Bodenvegetation sind Wiesen-Wachtelweizen (Melampyrum pratense), Wald-Schwingel (Festuca altissima) und Quirl-Weißwurz (Polygonatum verticillatum). Den FFH-LRT 9170 Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald (489 ha) mit alten Eichen und Hainbuchen, viel Totholz und einer reichen Verjüngung kennzeichnen Arten wie Wald-Labkraut (Galium sylvaticum), Nickendes Perlgras (Melica nutans), Pfirsichblättrige Glockenblume (Campanula persicifolia) und Türkenbund-Lilie (Lilium martagon).
Eine artenreiche Waldgesellschaft an den Oberhängen der Selke ist der Färberginster-Eichenwald, der nicht dem Eichen-Hainbuchen-Wald angeschlossen werden kann. Hier findet man auf sauren Rankerböden oder an Felsgraten Bleiches Habichtskraut (Hieracium schmidtii) und Felsen-Fetthenne (Sedum reflexum). Der FFH-LRT 9180* Schlucht- und Hangmischwälder (100 ha) besiedelt die schattigen, oft von Geröll überdeckten Steilhänge der Seitentäler des Selketals. In der Bodenvegetation kommen hier Ausdauerndes Silberblatt (Lunaria rediviva) und Dorniger Schildfarn (Polystichum aculeatum) vor. Im Grund des Selketales stocken an mehreren Stellen Bestände des FFH-LRT 91E0* Erlen-Eschenwälder (193 ha) mit Gewöhnlicher Traubenkirsche (Prunus padus).

Das Grünland repräsentieren die FFH-LRT 6510 Magere Flachland-Mähwiesen (280 ha) sowie 6520 Berg-Mähwiesen (142 ha). Die Mageren Flachland-Mähwiesen werden u. a. von Wiesen-Fuchsschwanz (Alopecurus pratensis), Rot-Schwingel (Festuca rubra), Glatthafer (Arrhenatherum elatius) sowie Wiesen-Knöterich (Bistorta officinalis) und Kuckucks-Lichtnelke (Lychnis flos-cuculi) gebildet. Typische Pflanzen der Berg-Mähwiesen sind z. B. die Frauenmantel-Arten (Alchemilla spec.), Weichhaariger Pippau (Crepis mollis) und Bärwurz (Meum athamanticum). Zusammen mit den Berg-Mähwiesen bildet der FFH-LRT 6230* Borstgrasrasen (14 ha) die typische Grünlandvegetation der Hochlagen des FFH-Gebiets. Er kommt auf 24 Teilflächen im Quellgebiet der Selke vor. Ihn kennzeichnen neben dem Borstgras (Nardus stricta) auch Gemeines Kreuzblümchen (Polygala vulgaris), Arnika (Arnica montana) und Wald-Läusekraut (Pedicularis sylvatica).

In zwei stehenden Gewässern siedelt auf Teichböden der FFH-LRT 3130 Oligo– bis mesotrophe saure Gewässer mit Strandlings- und Zwergbinsenvegetation (22 ha). Typische Arten sind Strandling (Littorella uniflora) und Nadel-Sumpfsimse (Eleocharis acicularis). Der FFH-LRT 3150 Eutrophe Seen (< 1 ha) mit Krausem Laichkraut (Potamogeton crispus) und Gemeinem Wasser-Hahnenfuß (Ranunculus aquatilis) kommen nur kleinflächig in ehemaligen Bergwerksteichen vor.
Die Fließgewässer gehören zum FFH-LRT 3260 Flüsse mit Wasservegetation (30 ha). Typische Arten sind Flutender Hahnenfuß (Ranunculus fluitans), Berle (Berula erecta), Bachbunge (Veronica beccabunga) und Blauer Wasser-Ehrenpreis (Veronica anagallis-aquatica).

Feuchte Hochstaudenfluren des FFH-LRT 6430 (4 ha) befinden sich zerstreut entlang der Selke. Dabei handelt es sich sowohl um Goldkälberkropf- und Waldziest-Springkraut-Saumgesellschaften als auch Mädesüß-Säume. Der FFH-LRT 7140 Übergangs- und Schwingmoore (4 ha) konnte nur in einer Fläche erfasst werden. Typisch sind die Ausbildungen mit Schnabelsegge (Carex rostrata) und Blasensegge (C. vesicaria). 

Vor allem auf dem Südhang des Selketals siedelt der FFH-LRT 6210 Kalk-Trockenrasen (3 ha). Als typische Art ist dort z. B. Färber-Ginster (Genista tinctoria) zu nennen. Der LRT 6210 bildet dort als Besonderheit einen Offenlandkomplex mit vier weiteren FFH-Lebensraumtypen: der FFH-LRT 8220 Silikat-Felsspaltenvegetation siedelt im Verbund mit dem FFH-LRT 8230 Silikatfelsen mit Pioniervegetation (zusammen rund 15 ha). Es finden sich hier die Gesellschaften des Nördlichen Streifenfarns (Woodsio ilvensis Asplenietum septentrionalis und Asplenietum septentrionali-adianti-nigri) und des Blasenfarns (Bartramio-Cystopteridetum fragilis). Charakteristische Arten der Pioniervegetation sind u. a. Astlose Graslilie (Anthericum liliago), Blau-Schwingel (Festuca pallens), Felsen-Goldstern (Gagea bohemica), Sand-Thymian (Thymus serpyllum) und Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria). Auch der FFH-LRT 8150 Kieselhaltige Schutthalden (2 ha) wurde im Gebiet auf 16 Einzelflächen erfasst, u. a. auch auf dem Südhang des Selketals. Eine typische Art, der Rasen-Steinbrech (Saxifraga rosacea), fehlt jedoch. Der FFH-LRT 4030 Trockene Heiden (2,6 ha) ist ebenfalls u. a. im Offenlandkomplex am Südang des Selketals zu finden.
Nur dort und ausschließlich im Bereich des „Bunten Flecks“ ist außerdem der FFH-LRT 6240* Steppen-Trockenrasen (0,03 ha) sehr kleinflächig ausgebildet.

Fauna

In allen geeigneten Lebensräumen ist die Haselmaus (Muscardinus avellanarius) zu erwarten. Sichere Nachweise liegen jedoch nur aus zwei Teilbereichen des Gebietes vor. Zahlreiche Beobachtungen belegen zudem das beständige Auftreten von Wildkatze (Felis silvestris) und Luchs (Lynx lynx) im Gebiet.
Vor allem die Eichen-Hangwälder stellen hervorragende Lebensräume für eine artenreiche Fledermausfauna dar. Während der Fortpflanzungsperiode jagen hier neben Großem Mausohr (Myotis myotis), Mops- und Bechsteinfledermaus (Barbastella barbastellus, Myotis bechsteinii) auch Brandt- und Zwergfledermaus (Myotis brandtii, Pipistrellus pipistrellus) sowie Braunes Langohr (Plecotus auritus). Bemerkenswert ist zudem das Vorkommen der Nymphenfledermaus (Myotis alcathoe). In Spechthöhlen der Alteichen wurden Wochenstubengesellschaften von Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii) und Kleinabendsegler (Nyctalus leisleri) nachgewiesen. Die letztgenannte Art nutzt auch regelmäßig die im Gebiet ausgebrachten Fledermauskästen (Ohlendorf, mdl. Mitt.). Nahe Meisdorf existiert im „Mausoleum Meisdorf“ die einzige unter Tage befindliche Wochenstube des Großen Mausohrs in Sachsen- Anhalt. Die zahlreich vorhandenen ehemaligen Stollen werden von verschiedenen Fledermausarten als Winterquartier genutzt. Hervorzuheben ist hier neben dem regelmäßigen Auftreten des Großen Mausohrs (Myotis myotis) auch das seltene Vorkommen der Bechstein- und Nymphenfledermaus (Myotis bechsteini, M. alcathoe).

In den wärmebegünstigten Lebensräumen ist die Schlingnatter (Coronella austriaca) vertreten. Dort lebt vermutlich auch die Zauneidechse (Lacerta agilis).

Von den Lurchen kommen Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans), Kammmolch (Triturus cristatus), Feuersalamander (Salamandra salamandra), Bergmolch (Triturus alpestris) und Fadenmolch (Triturus helveticus) vor.
In der Selke wurde die Groppe (Cottus gobio) nachgewiesen. Auf sandigem Untergrund leben die Larvenformen des Bachneunauges (Lampetra planeri). Weitere wertgebende Arten sind Äsche (Thymallus thymallus) und Bachforelle (Salmo trutta fario).

Im Raum Stiege befindet sich eines der wenigen verbliebenen Vorkommensgebiete des Goldenen Scheckenfalters (Euphydryas aurinia) in Sachsen-Anhalt. Weitere hervorzuhebende Insektenarten sind Hirschkäfer (Lucanus cervus), Eremit (Osmoderma eremita), Zweigestreifte Quelljungfer (Cordulegaster boltoni), Steppengrashüpfer (Chorthippus vagans), Kleine Goldschrecke (Euthystira brachyptera), Puppenräuber (Calosoma inquisitor) und der Laufkäfer Carabus intricatus. Die Habitate der Spanische Flagge (Euplagia quadripunctaria) sind im Selketal durch die Sicherung eines komplexen Lebensraumes aus Felsen, Blockschutthalden, Magerrasen und Steinbrüchen zu erhalten.

Sehr bedeutungsvoll ist die Brutvogelfauna des Gebietes als Teil eines EU SPA. Die Wälder des Selkegebietes beherbergen u. a. Rauhfußkauz (Aegolius funereus), Schwarzstorch (Ciconia nigra), Hohltaube (Columba oenas), Mittelspecht (Dendrocopos medius), Schwarzspecht (Dryocopus martius), Baumfalke (Falco subbuteo), Zwergschnäpper (Ficedula parva), Rotmilan (Milvus milvus) und Wespenbussard (Pernis apivorus). In den Eichenwäldern lebt die größte in Bäumen brütende Mauerseglerpopulation (Apus apus) Deutschlands. An der Selke brüten Eisvogel (Alcedo atthis), Wasseramsel (Cinclus cinclus) und Gebirgsstelze (Motacilla cinerea). Im Gebiet befinden sich zwei Brutplätze des Wanderfalken (Falco peregrinus) auf Felsen. Die Übergangsbereiche zwischen Wald und Offenland werden von Wendehals (Jynx torquilla), Neuntöter (Lanius collurio) und Grauspecht (Picus canus) besiedelt. Wintergast ist der Raubwürger (Lanius excubitor).

Literatur: 30, 79, 86, 87, 88, 89, 92, 158, 207, 208, 212, 293, 335, 336, 337, 338, 366, 444, 515, 516

verändert nach:

Jentzsch, M. und Reichhoff, L. (2013): Handbuch der FFH-Gebiete Sachsen-Anhalts. Hrsg. Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 616 Seiten

Links / Dokumente

zum Anfang der Seite