Untere Muldeaue (FFH0129)

Kiesbänke, Inseln und Abbruchufer an der Mulde © RANA - Büro für Ökologie und NaturschutzKiesbänke, Inseln und Abbruchufer an der Mulde © RANA - Büro für Ökologie und Naturschutz

Größe [ha]: 2.755
Landkreise und kreisfreie Städte: Anhalt-Bitterfeld; Stadt Dessau-Roßlau
Verwaltungseinheiten: Einheitsgemeinde Stadt Bitterfeld-Wolfen; Einheitsgemeinde Stadt Dessau-Roßlau; Einheitsgemeinde Muldestausee; Einheitsgemeinde Stadt Raguhn-Jeßnitz

Gebietsbeschreibung

Das FFH-Gebiet umfasst die Mulde und Teile ihrer Aue vom Auslauf des Muldestausees im Süden bis zur Mündung in die Elbe im Norden. Die in großen Abschnitten erhaltene Naturnähe und starke Dynamik der Mulde sind kennzeichnend für das Gebiet. Durch den oberhalb liegenden Muldestausee wird allerdings ein Geschiebedefizit verursacht. Hinzu kommt, dass die Prallhänge des Flusses versteint wurden. Naturräumlich ist das Gebiet der Landschaftseinheit Muldeaue zuzuordnen. Randlich werden das „Dessauer Elbtal“ im Norden und die „Dübener Heide“ im Osten sowie die „Mosigkauer Heide“ im Südwesten angeschnitten. Das größere Europäische Vogelschutzgebiet (EU SPA) „Mittlere Elbe einschließlich Steckby-Lödderitzer Forst“ schließt die Flächen des FFH-Gebietes ein. Im Bereich des FFH-Gebietes befindet sich das NSG Untere Mulde (Interaktive Karte der NSG).

Lebensraumtypen und Flora

Die dominierende Waldgesellschaft im Gebiet ist der FFH-LRT 91F0 Hartholzauenwälder (837 ha). Während die typische Ausbildung des Hartholzauenwaldes von der Stiel-Eiche (Quercus robur) bestimmt wird, finden sich vor allem an Hainbuchen (Carpinus betulus) reichere Bestände. Letztere sind typisch für die trockneren, durchlässigen Böden der Muldeaue. Die Bodenvegetation ist in den meist dicht geschlossenen, lichtarmen Hainbuchen-Auenwäldern zwar nur schütter, aber artenreich ausgebildet. Das hochstete Vorkommen von Wald-Ziest (Stachys sylvatica), Echter Sternmiere (Stellaria holostea), Wald-Flattergras (Milium effusum) und Hain-Rispengras (Poa nemoralis) vermittelt vegetationskundlich bereits zum Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald. Bemerkenswerte Arten sind Breitblättriger und Violetter Sitter (Epipactis helleborine, E. purpurata). In den typischen Ausbildungen des Hartholzauenwaldes bestimmen Feuchte- und Nährstoffzeiger wie Gundermann (Glechoma hederacea), Riesen-Schwingel (Festuca gigantea), Gefleckte Taubnessel (Lamium maculatum), Zittergras-Segge (Carex brizoides), Kratzbeere (Rubus caesius) und Große Brennnessel (Urtica dioica) das Bild der Feldschicht.
Bestände des FFH-LRT 91E0* Weichholzauenwälder und Erlen-Eschenwälder (65 ha) werden von Fahl-Weide (Salix x rubens) bzw. Schwarz-Erle (Alnus glutinosa) und Gemeiner Esche (Fraxinus excelsior) aufgebaut. In der Bodenvegetation dominieren Rasen-Schmiele (Deschampsia cespitosa), Gundermann (Glechoma hederacea), Kratzbeere (Rubus caesius), Frauenfarn (Athyrium filix-femina), Sumpf-Segge (Carex acutiformis), Gemeiner Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris) und Wasser-Schwertlilie (Iris pseudacorus). Entlang des Mühlbaches tritt die Winkel-Segge (Carex remota) als Quellzeiger regelmäßig hinzu.
Auf den von Grundwasser oder Staunässe beeinflussten, überflutungsfreien Standorten siedelt der FFH-LRT 9160 Sternmieren-Eichen-Hainbuchenwald (10 ha). Seine obere Baumschicht bestimmen alte Stiel-Eichen (Quercus robur), die zweite Bestandsschicht wird durch Hainbuche (Carpinus betulus) geprägt. Gelegentlich treten Schwarz-Erle (Alnus glutinosa), Flatter-Ulme (Ulmus laevis) und andere anspruchsvollere Arten wie Gemeine Esche (Fraxinus excelsior), Winter-Linde (Tilia cordata) und Pfaffenhütchen (Euonymus europaea) hinzu. Die Bodenvegetation wird von Feuchtigkeit zeigenden Arten wie Rasen-Schmiele (Deschampsia cespitosa), Wald-Flattergras (Milium effusum) und Echter Sternmiere (Stellaria holostea) dominiert.
Unmittelbar auf dem Steilhang des Muldetales im südlichen Teil des FFH-Gebietes siedelt ein ostexponierter Hainbuchen-Feldulmen-Hangwald, der dem FFH-LRT 9170 Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald (1 ha) zugeordnet wird. Das Baumarteninventar wird von der Feld-Ulme (Ulmus minor) bestimmt. Stiel-Eiche (Quercus robur) und Hainbuche (Carpinus betulus) sind in geringem Umfang vertreten. Negativ ist die deutliche Überpräsenz der Robinie (Robinia pseudoacacia) zu werten. In der Bodenvegetation finden sich hier Stickstoff liebende Arten wie Schöllkraut (Chelidonium majus), Kleb-Labkraut (Galium aparine), Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata) und Giersch (Aegopodium podagria), aber auch mesophile Arten wie Wald-Zwenke (Brachypodium sylvaticum) und Vielblütige Weißwurz (Polygonatum multiflorum).

Die Mulde sowie kleinere, ihr zufließende Gewässer sind in großen Teilen dem FFH-LRT 3260 Flüsse mit Wasservegetation (190 ha) zuzuordnen. Regelmäßig treten größere Bestände des Pinselblättrigen Wasser-Hahnenfußes (Ranunculus penicillatus) auf, der sich in zwei Unterarten im Flusslauf angesiedelt hat. Des Weiteren erscheinen Kamm- und Schwimmendes Laichkraut (Potamogeton pectinatus, P. natans), Ähren-Tausendblatt (Myriophyllum spicatum), Schwanenblume (Butomus umbellatus) und Gemeine Brunnenkresse (Nasturtium officinale agg.). Teilabschnitte der Mulde mit ausgeprägten Gleithängen sind als FFH-LRT 3270 Flüsse mit Schlammbänken (22 ha) anzusprechen. Charakteristisch sind lückige Zweizahn-Wasserpfeffer-Gesellschaften mit Wasserpfeffer (Persicaria hydropiper) sowie dichtere Elbspitzkletten-Uferfluren mit der namengebenden Elb-Spitzklette (Xanthium albinum).
Die Altwasser mit regelmäßigen Vorkommen von Teichlinse (Spirodela polyrhiza), Froschbiss (Hydrocharis morsus-ranae), Gemeinem Hornblatt (Ceratophyllum demersum) und Ähren-Tausendblatt (Myriophyllum spicatum) sind dem FFH-LRT 3150 Eutrophe Seen (54 ha) zuzustellen. Seltener sind hier auch Krebsschere (Stratiotes aloides), Schwimmfarn (Salvinia natans) und Wasserfeder (Hottonia palustris) vorhanden. Als bemerkenswerte Laichkrautarten kommen Spitzblättriges, Stumpfblättriges, Haar- sowie Spiegelndes Laichkraut (Potamogeton acutifolius, P. obtusifolius, P. trichoides und P. lucens) vor.

Die Ufersäume der Fließ- und Stillgewässer sowie die Waldränder werden z. T. vom FFH-LRT 6430 Feuchte Hochstaudenfluren (18 ha) gesäumt. Zu den erfassten kennzeichnenden Pflanzenarten zählen u. a. Taubenkropf (Cucubalus baccifer), Europäische Seide (Cuscuta europaea), Langblättriger Blauweiderich (Veronica maritima), Sumpf-Ziest (Stachys palustris), Echter Baldrian (Valeriana officinalis), Sumpf-Wolfsmilch (Euphorbia palustris), Katzenschwanz (Leonurus marrubiastrum) und Gelbe Wiesenraute (Thalictrum flavum).
Der flächenmäßig und naturschutzfachlich bedeutsamste Teil des Grünlandes ist dem FFH-LRT 6510 Magere Flachland-Mähwiesen (85 ha) zuzuordnen. Er wird von Glatthafer (Arrhenatherum elatius), Weißem Labkraut (Galium album), Wiesen-Platterbse (Lathyrus pratensis), Scharfem Hahnenfuß (Ranunculus acris), Wiesen-Ampfer (Rumex acetosa), Gamander-Ehrenpreis (Veronica chamaedrys) und Vogel-Wicke (Vicia cracca) aufgebaut. Weiterhin kommen Wiesen-Glockenblume (Campanula patula), Wiesen-Schaumkraut (Cardamine pratensis), Kuckucks-Lichtnelke (Silene flos-cuculi), Wilde Möhre (Daucus carota), Gewöhnlicher Hornklee (Lotus corniculatus), Wiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare), Großer Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) und Acker-Witwenblume (Knautia arvensis) vor. Die insgesamt ungünstigen Erhaltungszustände sind auf die im Zusammenhang mit der Schadstoffbelastung stehende Nutzungsbeschränkungen zurückzuführen. Bestände des FFH-LRT 6440 Brenndolden-Auenwiesen (22 ha) kommen auf den Wiesen der Elbaue im Norden des FFH-Gebietes vor und befinden sich in überwiegend günstigen Erhaltungszuständen. Zu den typischen Pflanzenarten zählen neben Brenndolde (Cnidium dubium) auch Nordisches Labkraut (Galium boreale) und Färber-Scharte (Serratula tinctoria), Kantiger Lauch (Allium angulosum), Langblättriger Blauweiderich (Veronica maritima), Vielblütiger Hahnenfuß (Ranunculus polyanthemos), Wasser-Greiskraut (Senecio aquaticus), Kleines Mädesüß (Filipendula vulgaris) und Gräben-Veilchen (Viola stagnina).
Magerrasen des FFH-LRT 6120 Kalkreiche Sandrasen (6 ha) weisen als typische Horstgräser Rauhblatt-Schwingel (Festuca brevipila) und Zierliches Schillergras (Koeleria macrantha) auf. Weitere charakteristische Arten sind Grasnelke (Armeria elongata), Frühe Segge (Carex praecox), Heide-Nelke (Dianthus deltoides), Echtes Labkraut (Galium verum), Hügel-Meier (Asperula cynanchica) und Berg- Haarstrang (Peucedanum oreoselinum).

Fauna

Biber (Castor fiber) und Fischotter (Lutra lutra) finden im Gebiet sehr gute Lebensbedingungen. Für beide Arten liegen aktuelle Nachweise aus dem gesamten FFH-Gebiet in einer hohen Dichte vor. Von den Fledermäusen kommen im Gebiet Mops- und Bechsteinfledermaus (Barbastella barbastellus, Myotis bechsteinii) sowie Großes Mausohr (Myotis myotis) vor.

Die untere Muldeaue bietet den semiaquatischen Lurchen ausgezeichnete Lebensbedingungen. Als bemerkenswerte Arten finden sich Rotbauchunke (Bombina bombina) im Bereich der Pelze und Kammmolch (Triturus cristatus) auf sechs Habitatflächen im Nordteil des FFH-Gebietes. Im zeitigen Frühjahr laicht der Moorfrosch (Rana arvalis) in den flachen Wassersenken der Wiesenaue. Den nördlichen Teil der Muldeaue, besonders im Bereich der Pelze, aber auch bei Sollnitz, Rösa, Retzau und Möst, besiedeln individuenreiche Bestände des Laubfroschs (Hyla arborea). In der angrenzenden Niederterrasse lebt die Kreuzkröte (Bufo calamita), die zum Laichen in die Aue kommt. Stellenweise sind Wechselkröte (Bufo viridis) und auch Knoblauchkröte (Pelobates fuscus) vertreten.

Auf trockneren, vegetationsarmen Stellen lebt vereinzelt die Zauneidechse (Lacerta agilis). Sie besiedelt auch die Muldedeiche.

Nach der Periode der starken Verödung der Mulde durch massive Abwassereinleitung hat sich dieser Fluss nach 1990 wieder zu einem fischreichen Gewässer entwickelt. Im Jahr 2002 waren bereits wieder 28 Fischarten in der unteren Mulde nachgewiesen worden. Aktuell gibt es Belege von Rapfen (Aspius aspius), Flussneunauge (Lampetra fluviatilis), Weißflossengründling (Romanogobio belingi), Steinbeißer (Cobitis taenia) und Bitterling (Rhodeus sericeus amarus). Inzwischen wurden auch laichreife Lachse (Salmo salar) beim Versuch, das Stadtwehr Dessau zu überwinden, beobachtet. Dabei handelt es sich um Tiere aus dem Wiederansiedlungsprojekt in der Elbe, die auch in die Mulde ziehen. Außerdem von großer Bedeutung für Fischarten sind die zahlreichen Altwasser des Plangebietes als Habitatflächen von Schlammpeitzger (Misgurnus fossilis), Bitterling (Rhodeus sericeus amarus), Steinbeißer (Cobitis taenia) und Flussneunauge (Lampetra fluviatilis).

An der unteren Mulde finden die Grüne und die Asiatische Keiljungfer (Ophiogomphus cecilia, Gomphus flavipes) in den naturnahen Flussabschnitten hervorragende Habitatbedingungen. Das Vorkommen der Grünen Keiljungfer umfasst den gesamten Muldelauf einschließlich der Jonitzer Mulde sowie den unteren Abschnitt des Spittelwassers. Dem Gebiet wird im Hinblick auf die Vernetzung von Vorkommen eine übergeordnete Bedeutung beigemessen. Der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling besiedelt aktuell ein Habitat am nordwestlichen Ortsrand von Sollnitz. Für Eschen-Scheckenfalter und Großen Feuerfalter bestehen nur Altnachweise. In der Mulde wurde der Schmalbindige Breitflügel-Tauchkäfer aktuell nachgewiesen. Alt- und aktuelle Nachweise gibt es von Eremit (Osmoderma eremita), Heldbock (Cerambyx cerdo) und Hirschkäfer (Lucanus cervus), die in den Alteichen, vor allem den Solitärbäumen auf den Wiesen, gute Entwicklungsmöglichkeiten finden.

Das Gebiet als Teil eines weit größeren EU SPA besitzt wegen der teilweisen Unverbautheit der Mulde eine besondere Bedeutung für fließgewässertypische Brutvögel. So finden auf den zahlreichen Sandbänken Flussregenpfeifer (Charadrius dubius) und Flussuferläufer (Actitis hypoleucos) ideale Bruthabitate. Die abschnittsweise hohe Uferdynamik der Gewässer bietet an reichlich vorhandenen Uferabbrüchen Eisvogel (Alcedo atthis) und Uferschwalbe (Riparia riparia) gute Bedingungen zur Anlage von Brutröhren. Weitere wertgebende Brutvögel des Gebietes sind Fischadler (Pandion haliaetus), Rot- und Schwarzmilan (Milvus milvus, M. migrans), Wespenbussard (Pernis apivorus) und Kranich (Grus grus). Die Hartholzauenwälder werden regelmäßig von Schwarz- und Mittelspecht (Dryocopus martius, Dendrocopos medius) besiedelt, während der Wendehals (Jynx torquilla) in aufgelockerten Gehölzbeständen des Gebietes hohe Abundanzen erreicht. Im Winter weichen viele Wasservögel beim Zufrieren der Standgewässer auf die dann noch eisfreie Mulde aus. Schellente (Bucephala clangula) und Zwergtaucher (Tachybaptus ruficollis) erreichen dort regelmäßig nennenswerte Rastbestände.

Literatur: 12, 72, 207, 212, 361, 264, 407, 413, 422, 469, 483, 571, 572, 573, 574, 575, 576, 577

verändert nach:

Jentzsch, M. und Reichhoff, L. (2013): Handbuch der FFH-Gebiete Sachsen-Anhalts. Hrsg. Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 616 Seiten

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