Kranich (Grus grus)

Kraniche © Oliver ThierKraniche © Oliver Thier

Verbreitung

Der Kranich ist paläarktisch verbreitet und besiedelt die Waldtundren-, Wald- und Waldsteppenzonen Eurasiens. Das gegenwärtige Brutareal erstreckt sich von Mittel- und Nordeuropa bis Ostsibirien, wobei die Nominatform G. g. grus in Europa mit Ausnahme von Georgien und Armenien brütet. Der Verbreitungsschwerpunkt liegt in Schweden und Russland, bedeutende Populationen beherbergen auch Finnland, Norwegen, Weißrussland, Polen und Deutschland (BAUER & BERTHOLD 1997, PRANGE in HAGEMEIJER & BLAIR 1997, TUCKER & HEATH 1994). Deutschland liegt an der derzeitigen westlichen Arealgrenze der Art. Das Vorkommen beschränkt sich auf den Nordosten der Bundesrepublik (NICOLAI 1993a, RHEINWALD 1993). Mehr als 85 % aller Paare brüten in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, weiterhin sind die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Schleswig-Holstein (einschließlich Hamburg) besiedelt. Aufgrund von Bestandszunahmen hat sich die Verbreitungsgrenze seit 1972 um 75 bis 100 km in westliche bzw. nordwestliche Richtung verlagert (MEWES 1996). Entsprechend dieser Grenze sind in Sachsen-Anhalt die nördlichen und östlichen LK besiedelt: Altmarkkreis Salzwedel, Stendal, Ohrekreis, Jerichower Land, Anhalt-Zerbst, Köthen, Dessau, Bitterfeld, Wittenberg (BOUDA & TODTE in GEORGE & WADEWITZ 2000, GNIELKA & ZAUMSEIL 1997, NICOLAI 1993a, SEELIG et al. 1996). Balzbeobachtungen liegen auch aus dem LK Aschersleben-Staßfurt vor (SCHWARZE in GNIELKA & ZAUMSEIL 1997).

Ökologie und Zugstrategie

Der Kranich ist ein Bodenbrüter und bevorzugt als Bruthabitat feuchte bis nasse Niederungsgebiete wie Bruchwälder, Verlandungszonen von stehenden Gewässern, Moore und Feuchtwiesen. Zum Nahrungserwerb werden Felder und Wiesen aufgesucht. Rastplätze während des Zuges umfassen Nahrungs- und Schlafplätze, wobei letztere bevorzugt in seichten Wasserflächen und Sumpfgebieten liegen (BAUER & BERTHOLD 1997, GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1973). Der Kranich ist Zugvogel (meist Mittelstreckenzieher), der seine Winterquartiere auf verschiedenen Routen erreicht. Vögel aus Mitteleuropa und Skandinavien ziehen in südwestliche Richtung und überwintern hauptsächlich in Spanien (besonders Extremadura), aber auch in Frankreich, Portugal und Nordafrika. Besonders die Herbstwanderung wird an traditionellen Rastplätzen in Südschweden, Nordost-Deutschland (Rügen-BOCK-Region), Nordost-Frankreich und Nordost-Spanien unterbrochen (PRANGE in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). In Sachsen-Anhalt befinden sich regelmäßig besetzte Rast- und Schlafplätze im Elbe-Havel-Winkel und in der nördlichen Altmark (PRANGE 1996), auch im Drömling und am Helmestausee Berga-Kelbra. Im Jahr 2000 wurden während des Wegzuges insgesamt 60.000 durchziehende Kraniche registriert, die, wie in den vorangegangenen Jahren, in zwei Zugspitzen (Mitte Oktober und Anfang November) das Bundesland querten (GEORGE & WADEWITZ 2001). Kraniche aus Ostpolen, Finnland, Weißrussland und den Baltenstaaten nutzen die osteuropäische Zugroute über Estland und Ostungarn, um ihre Wintergebiete zu erreichen. Diese liegen in Nord- und Ostafrika, in der Türkei, Israel, im Nahen und Mittleren Osten, in Iran, Afghanistan, Pakistan und vielleicht auch in Indien und werden ebenso von weiter ostwärts ziehenden Kranichen aufgesucht (BAUER & BERTHOLD 1997, PRANGE in HAGEMEIJER & BLAIR 1997).

Bestandsentwicklung

Seit dem 17. Jahrhundert erloschen die Kranichvorkommen in vielen Teilen West- und Südeuropas. Die Bestände in Mitteleuropa und Skandinavien nehmen erst seit den 1960er Jahren wieder zu. Mit der Zunahme der Brutpaarzahlen und der Brutdichte erfolgt eine Arealerweiterung und Wiederbesiedlung in westliche und südliche Richtung. Aus Finnland, Weißrussland und Russland werden dagegen weitere Abnahmen gemeldet (BAUER & BERTHOLD 1997, PRANGE in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). In Deutschland wurde der Tiefststand des Bestandes Ende der 1960er bzw. Anfang der 1970er Jahre erreicht. Seitdem hat sich die Anzahl der Tiere, unter Berücksichtigung eines besseren Erfassungsgrades, ungefähr verdoppelt. Von 1997 bis 2000 wuchs der Bestand in Sachsen-Anhalt von ca. 80 BP auf 109 BP (DORNBUSCH 2002). Auch in den letzten Jahren hat hier der Bestand deutlich zugenommen. Bei einer landesweiten Erfassung im Jahr 2016 wurden 600 Reviere gezählt, wobei sich auch eine Ausweitung des besiedelten Areals nach Westen und Süden zeigte.

Gefährdung und Schutz

Die Bestandsabnahmen wurden in erster Linie durch Lebensraumverluste verursacht. Diese waren bedingt durch Intensivierungs- und Erschließungsmaßnahmen wie Entwässerung, Grundwasserabsenkung, Gewässerausbau, Grünlandumbruch, Torfabbau und Straßenbau. Weiterhin sind die Kraniche durch Störungen am Brutplatz, Prädation, Bejagung (besonders in Südost-Europa und Afrika) und durch Unfallgefahren an Freileitungen bedroht (BAUER & BERTHOLD 1997, BAUER & THIELKE 1982, TUCKER & HEATH 1994). Für den dauerhaften Schutz des Kranichs sind die Erhaltung der gegenwärtigen und die Renaturierung ehemaliger Brutplätze genauso wichtig wie die Unterschutzstellung der bedeutendsten Sammel-, Rast- und Überwinterungsgebiete. Als Beispiel seien die Winterquartiere in den Kork- und Steineichengebieten Spaniens (Dehesas) genannt, die durch Fortsetzung der traditionellen, extensiven Bewirtschaftung zu erhalten sind. In Mitteleuropa sollen die Konflikte mit den Landwirten durch Anlegen von „Ablenkfütterungen“ auf Stilllegungsflächen und Ausgleichszahlungen minimiert werden. Das Anlegen von Nestschutzzonen und eine Besucherlenkung sind Maßnahmen, um eine Beunruhigung der Vögel an den Brutplätzen zu verringern. Gleichzeitig ist die anthropogene Verfolgung weiter einzuschränken (BAUER & BERTHOLD 1997).

 

Rote Liste Deutschland:                    Ungefährdet (5. Fassung, Stand November 2015)

Rote Liste Sachsen-Anhalt:               Ungefährdet (3. Fassung, Stand November 2017 Vorabdruck)

Literatur

entnommen aus:

Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2003): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Vogelarten nach Anhang I der Europäischen Vogelschutzrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 223 S.

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