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Verbreitung
Das Brutareal des Wachtelkönigs beschränkt sich auf die West- und Zentralpaläarktis. Die Verbreitung erstreckt sich von Westeuropa bis Zentralsibirien zum nordwestlichen Vorland des Baikalsees. Die nördliche Grenze verläuft über den Norden der Britischen Inseln, Südskandinavien und in Sibirien zwischen 60 ° bis 62 ° N. Die Südgrenze zieht sich von Nordspanien, Norditalien und Bulgarien über die Nordküste des Schwarzen Meeres bis nach Nord- und Ostkasachstan (GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1973). Die weitaus größten Vorkommen von 2-2,5 Millionen rufenden Männchen befinden sich in Russland (MISCHENKO et al. 1997 zit. in GREEN et al. 1997). Größere Populationen (> 10.000 Rufer) leben in der Ukraine, Lettland und Weißrussland (GREEN et al. 1997). In Deutschland ist die Art diskontinuierlich mit größeren regionalen Lücken verbreitet. Das Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sind nur gering besiedelt. In Sachsen-Anhalt ist die Verbreitung, wie auch im übrigen Deutschland, hauptsächlich an ausgedehnte Grünlandbereiche gebunden, die sich besonders in den Niederungsgebieten und Auen befinden (NICOLAI 1993a, RHEINWALD 1993, STENZEL in GNIELKA & ZAUMSEIL 1997). Neuere Nachweise einzelner rufender Männchen liegen auch aus dem Harz vor (STENZEL in GNIELKA & ZAUMSEIL 1997, WADEWITZ et al. in GEORGE & WADEWITZ 1997, SCHUBERT in GEORGE & WADEWITZ 2001).
Ökologie und Zugstrategie
Der Wachtelkönig besiedelt offene und halboffene Lebensräume, die sich durch eine hohe Vegetationsdichte und einen geringen Raumwiderstand auszeichnen (GREEN et al. 1997). Diesem Habitatschema entsprechen besonders hochgrasige, wechselfeuchte und extensiv genutzte Grünlandgebiete in Überschemmungsauen, ungedüngte Feuchtwiesen, Niedermoorgebiete und Bergwiesen. Die Rallenart dringt auch in feuchtere Verlandungszonen, Kahlschläge und landwirtschaftlich intensiv genutzte Flächen vor wie z.B. in gedüngte Mähwiesen, Getreide-, Raps-, Hackfrucht- und Grünfutterschläge (GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1973, HORVATH & SCHÄFFER in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Die Überwinterungsgebiete des Langstreckenziehers liegen hauptsächlich in den Savannen Zentral- und Südost-Afrikas. Meldungen liegen auch aus Westafrika vor (HORVATH & SCHÄFFER in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Der Wegzug aus Europa dauert von August bis Oktober. Die mittel- und nordeuropäischen Brutplätze werden in der Regel nicht vor Mai/Juni besetzt (GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1973).
Bestandsentwicklung
Klimatische und hydrologische Faktoren, Bewirtschaftungsmaßnahmen und Verhaltensspezifika führen zu erheblichen Bestandsschwankungen, die eine langfristige Trendanalyse erschweren. Trotz dieser Einschränkungen wurden seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts gravierende Bestandsrückgänge des Wachtelkönigs in allen Bereichen des Verbreitungsgebietes nachgewiesen, die sich nach 1970 noch verstärkten. Zwischen 1970 und 1990 nahmen die Bestände in allen Ländern mit größeren Wachtelkönigpopulationen außer in Schweden und Finnland um > 20 % bis > 50 % ab (BAUER & BERTHOLD 1997, HORVATH & SCHÄFFER in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Deutschland büßte im genannten Zeitraum ebenfalls mehr als 50 % seines Bestandes ein (WITT et al. 1996). Seit Mitte der 1980er Jahre hat sich der Bestand stabilisiert. Für das Jahr 1994 werden 800 rufende Männchen (GREEN et al. 1997) bzw. 740-1.340 Rufer (WITT et al. 1996) angegeben. Im Jahr 1996 wurden ca. 1.000 Rufer gezählt (ohne Bayern), wobei das derzeit größte Vorkommen aus dem Unteren Odertal (Brandenburg) mit 182 bzw. 129 Rufern gemeldet wird (MÄDLOW & MODEL 2000, RYSLAVY 1997 a, b). In Sachsen-Anhalt wurden für 1995 nach starken Abnahmen ca. 40 und für 1996 50-90, für 1998 ca. 100, für 1999 ca. 80 und für 2000 ca. 60 rufende Männchen angegeben (DORNBUSCH 2000b, 2002, GEORGE & WADEWITZ 1999, MÄDLOW & MODEL 2000). Die landesweite Zählung ergab in den Jahren 2009 und 2010 eine Gesamtzahl von 248 bzw. 223 revierbesetzenden Männchen. Bereits 2011 ging die Zahl jedoch deutlich zurück (Schulze 2015) und die Jahre mit „schwachem Auftreten“ setzten sich bis in die jüngste Zeit fort. 2015 geht man von 50-200 Revieren aus.
Gefährdung und Schutz
Die Hauptgefährdung der Art geht von Intensivierungsmaßnahmen der Landwirtschaft und besonders der Grünlandwirtschaft aus. Im Einzelnen zählen dazu Entwässerung von Feuchtgrünland, Eindeichung, Grünlandumbruch, Überweidung und Überdüngung. Durch frühe und einheitliche Mahdtermine und großflächige Mahd mit schnelleren Maschinen gehen viele Nester und Jungvögel verloren. Außerdem ist die Art durch den Verlust geeigneter Mauser- und Ausweichhabitate, direkte Verfolgung auf den Zugwegen, Pestizideinsatz in den Winterquartieren und durch Verluste an Freileitungen und Masten betroffen (BAUER & BERTHOLD 1997, GREEN et al. 1997, TUCKER & HEATH 1994). Zum Schutz des Wachtelkönigs sind noch vorhandene Feuchtgebiete zu erhalten und ehemalige Feuchtwiesen sowie Flussniederungen zu renaturieren. Große Bedeutung kommt einer extensiveren Grünlandbewirtschaftung mit verändertem Mahdregime bei gleichzeitiger Ausgleichszahlung zu. Außerdem sind bei gehäuften Verlusten entsprechende technische Einrichtungen zu entschärfen und auf eine Einstellung der jagdlichen Verfolgung in allen Arealbereichen zu drängen. Die Bestände der global gefährdeten Art sind auch weiterhin großflächig und langfristig zu überwachen (BAUER & BERTHOLD 1997).
Rote Liste Deutschland: 2 – Stark gefährdet (5. Fassung, Stand November 2015)
Rote Liste Sachsen-Anhalt: 2 – Stark gefährdet (3. Fassung, Stand November 2017 Vorabdruck)
entnommen aus:
Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2003): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Vogelarten nach Anhang I der Europäischen Vogelschutzrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 223 S.