Wanderfalke (Falco peregrinus)

Wanderfalke © Lutz DöringWanderfalke © Lutz Döring

Verbreitung

Der Wanderfalke ist in mehreren Unterarten nahezu weltweit verbreitet. Die Art fehlt nur auf Spitzbergen und Island, in der südpaläarktischen Wüstenzone von der Sahara bis in die Mongolei, in den Regenwäldern Afrikas, Südost-Asiens, Mittel- und Südamerikas, auf Neuseeland und vielen pazifischen Inseln sowie in der Antarktis (GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1989, SPEER in KOSTRZEWA & SPEER 2001). Europa ist derzeit durch eine lückenhafte Verbreitung gekennzeichnet, die ihre Schwerpunkte in Spanien (1.650 BP), Großbritannien (1.280 BP), Russland (400-800 BP), Frankreich (650 BP), Italien (500 BP) und Irland (450 BP) hat. Im Jahr 1992 betrug der europäische Bestand insgesamt 5.720-7.415 BP (RATCLIFFE in HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Der früher in Deutschland als Baum- und Felsbrüter weit verbreitete Wanderfalke war Anfang der 1970er Jahre in Ostdeutschland ausgestorben und in Westdeutschland bis auf Restbestände, hier vor allem in Baden-Württemberg und Bayern, stark zurückgegangen (RHEINWALD 1993, SCHILLING 1995). In den Jahren 1980/81 setzte die Wiederbesiedlung Ostdeutschlands und Sachsen-Anhalts mit einem Brutpaar im NSG Bodetal ein (KLEINSTÄUBER 1987, ORTLIEB 1993). Die derzeit festgestellten Brutpaare konzentrieren sich hauptsächlich auf den Harz sowie auf Bauwerke außerhalb des Mittelgebirges wie z.B. ein Bürohochhaus in Sangerhausen (bis 1993), ein Heizkraftwerk in Vockerode (ab 1996/97) und eine Kraftwerksruine bei Stendal (ab 1997) (ORTLIEB in ROCKENBAUCH 1998). Die Arealgrenze der im Ostseeraum vorkommenden baumbrütenden Teilpopulation verlief quer durch Sachsen-Anhalt (KIRMSE 1991). Die Verbreitungsschwerpunkte der Baumbrüter lagen in der Colbitz-Letzlinger Heide, in der nördlichen Altmark, im Elbe-Havel-Winkel, im südwestlichen und südlichen Fläming, im Lödderitzer Forst, in der Elbaue bei Rosslau sowie in der Oranienbaumer, Mosigkauer und Dübener Heide (ORTLIEB 1993). Südlich der Linie Halberstadt-Aschersleben-Leipzig wurden Felsbruten festgestellt, hauptsächlich im Harz, aber auch im Südkyffhäuser, im Unteren Unstruttal und in den Saalefelsen unterhalb der Rudelsburg bei Bad Kösen.

Ökologie und Zugstrategie

Der Wanderfalke besiedelt sehr unterschiedliche Lebensräume, die Tieflandbereiche, Gebirge, Küsten und Inseln einschließen. Die Art meidet lediglich hochalpine Bereiche und große, völlig geschlossene Waldkomplexe. Als Felsbrüter besiedelt der Wanderfalke steile Felswände in Flusstälern und Gebirgen, Steilküsten und Steinbrüche. Als Baumbrüter nutzt er Horste anderer Greifvogelarten in Waldrandlagen sowie lichten Altholz- und Überhälterbeständen. In zunehmendem Maße werden hohe Bauwerke, auch innerhalb von Großstädten, als Brutplatz gewählt. Bodenbruten sind aus den Hochmoorgebieten Nordeuropas, aber auch von der Nordseeküste bekannt. Zur Jagd werden offene Landschaften genutzt, wo fast ausschließlich Vögel erbeutet werden (BAUER & BERTHOLD 1997, GLUTZ VON BLOTZHEIM et al. 1989, RATCLIFFE in HAGEMEIJER & BLAIR 1997, SPEER in KOSTRZEWA & SPEER 2001). Während die mitteleuropäischen Falken hauptsächlich Stand- und Strichvögel sind, ziehen die nordeuropäischen im Winter nach Mittel- und Südeuropa, vereinzelt bis Nordafrika. Die Überwinterungsgebiete der in Mitteleuropa erbrüteten Jungfalken reichen bis zur Iberischen Halbinsel und dem Balkan (BAUER & BERTHOLD 1997, SPEER in KOSTRZEWA & SPEER 2001).

Bestandsentwicklung

Nach Bestandsanstiegen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts brachen die Brutvorkommen des Wanderfalken in Deutschland ebenso wie in den meisten anderen europäischen Gebieten (außer Südeuropa) nach 1950 zusammen. Der Tiefpunkt wurde mit ca. 50 BP Mitte der 1970er Jahre erreicht. Zu dieser Zeit erlosch die baumbrütende Teilpopulation in der norddeutschen Tiefebene. Nach dem Verbot verschiedener persistenter Umweltchemikalien und intensiven Schutzbemühungen kam es zur Erholung der Bestände in den Rückzugsgebieten und zur sukzessiven Wiederbesiedlung vorher verwaister Bundesländer. Im Jahr 1996 konnte nach Auswilderungen die erste Baumbrut in Brandenburg nachgewiesen werden. Der deutsche Brutbestand stieg von 73 Paaren (1980) über 316 Paare (1990) auf ca. 620-640 Paare (1999) kontinuierlich an (BAUER & BERTHOLD 1997, LANGGEMACH et al. 1997, SCHILLING 1995, ROCKENBAUCH 1998, SPEER in KOSTRZEWA & SPEER 2001), 2005-2009 wurden 1.000-1.200 BP festgestellt. In Sachsen-Anhalt wurden 1950 ca. 14 felsbrütende und 30-35 baumbrütende Paare gezählt. Im Jahr 1974 war der Bestand erloschen. Im Herbst 1980 wurde das Roßtrappenmassiv im Bodetal durch ein in Hessen ausgewildertes Wanderfalkenpaar wiederbesiedelt, 1982 erfolgte hier die erste erfolgreiche Brut. Zwischen 1985 und 1993 wurden jährlich vier BP in Sachsen-Anhalt beobachtet, im Jahr 1997 zehn BP und 2000 12 BP (DORNBUSCH 2002, ORTLIEB 1993, ORTLIEB in ROCKENBAUCH 1998). Im Jahr 2015 wurden 31-39 BP in Sachsen-Anhalt gezählt.

Gefährdung und Schutz

Hauptursachen für das im 20. Jahrhundert erfolgte weitreichende Zusammenbrechen der Wanderfalkenbestände waren die Ausbringung persistenter chlorierter Kohlenwasserstoffe wie DDT, Dieldrin, HCB und PCB in die Umwelt und deren Anreicherung in Nahrungsketten sowie Nachstellungen in jeglicher Form (Abschuss, Horstvernichtung, Aushorstung, Eientnahme). Der erste Faktor führte zu einer erhöhten Mortalität der Adulten und zur Reduktion des Bruterfolges durch Dünnschaligkeit der Eier und Absterben der Embryonen. Weitere Gefährdungen gehen von Störungen der Horstbereiche durch Freizeitakivitäten und von ungesicherten Freileitungen und Strommasten aus. Durch Zersiedelung, Verdrahtung der Landschaft und den Ausbau des Straßennetzes geht Lebensraum verloren. Zu den natürlichen Gefährdungsursachen zählen Prädation durch Marder und Uhu, Horstplatzkonkurrenz durch Uhu und Kolkraben sowie Zeckenbefall (BAUER & BERTHOLD 1997, EPPLE & HÖLZINGER in HÖLZINGER 1987, ROCKENBAUCH 1998). Herstellungs- und Anwendungsverbote der persistenten chlorierten Kohlenwasserstoffe haben zu einer Erholung des Wanderfalkenbestandes geführt. Gleichzeitig haben strenge Schutzmaßnahmen wie die Bewachung der Horste, das Angebot von witterungsgeschützten und mardersicheren Nisthilfen, eine Zeckenabwehr, die Sicherung ehemaliger und genutzter Brutfelsen als Schutzgebiete, Wiedereinbürgerungsprojekte, die Lenkung von Forstarbeiten und Kletterverbote maßgeblich zu einem Bestandszuwachs beigetragen. Trotz der letztlich positiven Entwicklung ist auch weiterhin ein Bestands- und Schadstoffmonitoring erforderlich. (BAUER & BERTHOLD 1997, EPPLE & HÖLZINGER in HÖLZINGER 1987, KLEINSTÄUBER 1987, ROCKENBAUCH 1998, SPEER in KOSTRZEWA & SPEER 2001).

 

Rote Liste Deutschland:                    Ungefährdet

Rote Liste Sachsen-Anhalt:               3 – Gefährdet (3. Fassung, Stand November 2017 Vorabdruck)

Literatur

entnommen aus:

Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2003): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Vogelarten nach Anhang I der Europäischen Vogelschutzrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 223 S.

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