FFH-Gebiet "Bürgerholz bei Rosian"
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„Viel zu spät ...
... begreifen viele die versäumten Lebensziele: Freude, Schönheit der Natur, Gesundheit, Kultur und Reisen. Darum, Mensch, sei zeitig weise! Höchste Zeit ist's! Reise, reise!“
Wilhelm Busch (1832 - 1908)
Und viele Regionen in Sachsen-Anhalt sind eine Reise wert! Ein lohnenswertes und wunderschönes Ziel, was heute vorgestellt werden soll, ist das europäische Fauna-Flora-Habitat-Gebiet „Bürgerholz bei Rosian“. Es liegt im Osten Sachsen-Anhalts, am östlichen Rand des Fläming, im Landkreis Jerichower Land. In diesem Landstrich hat die Saale-Eiszeit die Landschaftsformen und den Boden geprägt. Das Wasser scheint in Hülle und Fülle vorhanden und unzählige kleine Bäche und Rinnsale suchen sich schlängelnder Weise ihren Weg hin zu den Seen und größeren Flüssen. Um das Land urbar zu machen, mussten viele Entwässerungsgräben angelegt werden. Dieser menschliche Eingriff in den natürlichen Wasserhaushalt blieb nicht ohne Spuren. So wurden Moore, Feuchtwiesen, Bruch- und Auwälder zerstört. Damit einher ging ein Rückgang der für diese Lebensräume typischen Tier- und Pflanzenarten. Heute wird der Landstrich von land- und forstwirtschaftlichen Monokulturen geprägt. Nur vereinzelt sind noch standorttypische Reste der einstigen Natur erhalten.
Dazu gehört das „Bürgerholz bei Rosian“. Etwa 3 km östlich von Loburg erstreckt sich auf einer Fläche von 105 ha ein buntes Mosaik aus Auwaldrelikten, Wiesen und Hochstaudenfluren. In den alten Entwässerungsgräben siedelte sich im Laufe der Jahre eine typische Fließgewässserfauna und -flora an. Zu den besonderen Lebensräumen im Sinne der FFH-Richtlinie gehören im Gebiet die Flüsse mit ihrer (Unter-)Wasservegetation, die feuchten Hochstaudenfluren, die Mähwiesen, die Stieleichen-Hainbuchenwälder sowie die Auwälder mit Erlen und Eschen. Besonders letztere sind ungemein sensibel und in Mitteleuropa sehr selten geworden. Dementsprechend gelten sie als prioritär zu schützen. Etwa 54 ha von diesem Lebensraumtyp sind hier erhalten. Diese naturnahen Auwaldfragmente sind vorwiegend mit einheimischen Laubgehölzen bestanden und sehr strukturreich ausgeprägt. Vom jungen, emporstrebenden Bäumchen über große, ausladende Baumriesen bis hin zu alten oder bereits abgestorbenen Bäumen sind alle Altersstufen vorhanden. Unter dem aufgelockerten Kronendach der Bäume wächst eine reichlich entwickelte Strauch- und Krautschicht. In den strukturreichen Erlen-Eschenwäldern des Bürgerholzes fühlen sich Vögel sehr wohl und kommen in einer großen Vielfalt vor.
Neben den in Höhlen alter Bäume brütenden Spechtarten, Mittelspecht (Dendrocopus medius) und Schwarzspecht (Dryocopus martius), und dem Wendehals (Jynx torquilla), ist auch der in Horsten, hoch oben in den Baumwipfeln, brütende Rotmilan (Milvus milvus) im Schutzgebiet anzutreffen. Der Kranich (Grus grus) sowie der Weiß- und Schwarzstorch (Ciconia ciconia und C. nigra) nutzen das Bürgerholz bei Rosian zur Nahrungssuche.
Auch für Amphibien und Säugetiere stellt das Schutzgebiet einen geeigneten und wichtigen Lebensraum dar. An dieser Stelle seien beispielhaft wenige FFH-Arten des Anhangs IV genannt, die die Artenvielfalt des Bürgerholzes widerspiegeln sollen. Den Reigen eröffnet der Moorfrosch (Rana arvalis), der in Lebensräumen mit hoch anstehendem Grundwasserstand oder Staunässe, wie man es temporär in Auwäldern findet, lebt. Männchen wie Weibchen sind erdbraun gefärbt, mit dunkleren Flecken und einer scharf begrenzten hellen Linie auf dem Rücken. Geht es jedoch im Frühjahr zur Brautwerbung präsentieren sich die Männchen in einer auffällig blauen bis violetten Färbung und quaken zur Dämmerungszeit in außergewöhnlich gurgelnden und glucksenden Tönen, um so die volle Aufmerksamkeit der weiblichen Besucher am Gewässer zu erlangen.
Überhaupt ist nicht nur am Tag ein geschäftiges Treiben im Schutzgebiet zu beobachten, sondern auch in der Nacht sowie zur Abend- und Morgendämmerung. Sobald die Sonne untergeht, schwärmen viele Jäger aus, um auf Nahrungssuche zu gehen. Dann sollte sich besser jede Motte und jede Spinne gut verstecken, denn sowohl am Boden als auch in der Luft lauern ihnen hungrige Jäger auf.
Wahre Flugmanöverkünstler sind die Fledermäuse, die über den Offenländern des Bürgerholzes nach Futter suchen. So schwärmen unter anderem Fransenfledermaus (Myotis nattereri), Große Bartfledermaus (Myotis brandtii) und Großer Abendsegler (Nyctalus noctula) aus ihren Baumquartieren aus, um Zweiflügler, Nachtfalter und Käfer zu jagen.
Am Boden lauert Gefahr durch den Moorfrosch, welcher auf unvorsichtige Insekten und Spinnen wartet.
In den Wäldern, auf den Wiesen und an den Fließgewässern des Bürgerholzes bei Rosian ist immer was los und es gibt immer interessante und spannende Naturschauspiele zu beobachten. Wer sich auf leisen, aufmerksamen Sohlen dieser Welt nähert, dem wird sich die noch bestehende Vielfalt und Schönheit dieses Gebietes offenbaren. Ob als Ort der Erholung und Ruhe oder des Entdeckens und Erforschens kann man hier eine besondere Zeit allein, in der Familie oder mit Freunden verbringen.
Mit dem Schutz dieses besonderen Fleckchen Waldes inmitten von monotonen Wirtschaftsflächen als Relikt des einstigen Landschaftscharakters des Fläming werden nicht allein wertvolle Lebensräume, Tier- und Pflanzenarten bewahrt, sondern auch ein für uns Menschen wichtiger Rückzugs- und Erholungsort erhalten.