FFH-Gebiet "Kellerberge nordöstlich Gardelegen"

Schafe bei der Heidepflege im FFH-Gebiet "Kellergberge nördöstlich Gardelegen" © Stefan Klein (RANA-Büro für Ökologie und Naturschutz Frank Meyer)Schafe bei der Heidepflege im FFH-Gebiet "Kellergberge nördöstlich Gardelegen" © Stefan Klein (RANA-Büro für Ökologie und Naturschutz Frank Meyer)

Vom Hochsommer bis in den Herbst hinein ...

... verwandelt sich das Heidegebiet rund um die Kellerberge bei Gardelegen in eine traumhaft purpurne Landschaft. Vor allem in dieser Zeit, wenn das Heidekraut (Calluna vulgaris) seine traubigen Blütenstände öffnet, lädt das FFH-Gebiet „Kellerberge nordöstlich Gardelegen“ zu einem romantischen Spaziergang ein, bei welchem mit Sicherheit einige, an diesen besonderen Lebensraum angepasste, Tier-und Pflanzenarten beobachtet werden können.

Die mit offenen Sandstellen und Sandtrockenrasen durchsetzten Zwergstrauchheiden bieten idealen Lebensraum und Nahrungsgrundlage für zahlreiche wärmeliebende Insekten. Die Heidekraut-Sandbiene (Andrena fuscipes) schwirrt emsig um die Blüten, Laufkäfer flitzen über den Weg und aus den Augenwinkeln sieht man Heuschrecken auf die Grashalme hüpfen. In diesen deckungsreichen und gut strukturierten Lebensräumen des FFH-Gebietes profitiert die Zauneidechse (Lacerta agilis) von dem Reichtum an Insekten. An warmen Tagen, wo man sie oft bei einem ausgiebigen Sonnenbad auf Steinen, Baumwurzeln und lückigen Stellen entdecken kann, ist dieses Kriechtier besonders aktiv und jagt Käfer, Spinnen und Ameisen. Reptilien sind wechselwarme Tiere, d.h. ihre Körpertemperatur ist von der Umgebungstemperatur abhängig.   Auch die Kreuzkröte (Bufo calamita) erfreut sich an dem reich gedeckten Tisch in der Heidelandschaft. Die in Sachsen-Anhalt stark gefährdete Amphibienart bewegt sich nicht etwa springend fort, wie alle anderen heimischen Kröten, sondern, aufgrund ihrer kurzen Beine, mäuseähnlich laufend.

Etwas filigraner anmutend bewegt sich die trillernde Heidelerche (Lullula aborea) durch die Lüfte der Kellerberge. Die besonderen halboffenen Lebensräume des Schutzgebietes bieten seltenen, spezialisierten Vogelarten eine gute Nahrungs- und Fortpflanzungsstätte. Neben zahlreichen Raubvögeln wie Wiesenweihe (Circus pygargus), Raufußkauz (Aegolius funereus) und Wespenbussard (Pernis apivorus) finden Leitarten der Heiden hier einen Rückzugsort. Dazu zählt neben der Heidelerche der Ziegenmelker (Caprimulgus europaeus), Steinschmätzer (Oenanthe oenanthe) und Wiedehopf (Upupa epops). Der Wiedehopf, der „Punk“ unter den Vögeln, ist mit seiner fächerartigen Kopfhaube und dem orangebraun-schwarz-weißem Gefieder sehr auffällig. Mit dem langen, schlanken Schnabel sucht er im Boden des Offenlandes mit kurzen, nickenden Kopfbewegungen nach schmackhafter Nahrung. Wer ihn jedoch nicht zu Gesicht bekommt, kann vielleicht mit etwas Glück das einzigartige „hup-hup-hup“, seinen Ruf, hören.

Die strukturelle Vielfalt des Gebietes ermöglicht die Existenz zahlreicher seltener und geschützter Arten im Gebiet. Die Verzahnung der verschiedenen Offenlandlebensräume mit den Vorwäldern bis hin zu den dichteren Mischwäldern wie dem bodensauren Eichenwald, ist besonders wertvoll und bildet den Charakter des Gebietes. Von der Strukturvielfalt profitieren auch die „Jäger der Nacht“. In den Dämmerungs- und Nachtstunden nutzen die streng geschützten Arten wie u.a. Großer Abendsegler (Nyctalus noctula), Braunes Langohr (Plecotus auritus) und die kleinste europäische Fledermausart, die Zwergfledermaus (Pipistrellus pipistrellus), das Schutzgebiet zur akrobatischen Jagd nach den unzähligen Nachtinsekten, die von den insektenfressenden Vögeln bei Tag verschont geblieben sind. In den bewaldeten Bereichen können Baumhöhlen oder Spalten hinter sich lösender Borke alter Eichen oder Kiefern als Quartiere dienen. Eine weitere Besonderheit des FFH-Gebietes ist das Vorkommen unseres größten heimischen Käfers, dem Hirschkäfer, der von Juni bis August um die Kronen der Eichen schwirrt.

Doch die Schönheit und Einzigartigkeit wahrt sich nicht von allein. Die damalige militärische Nutzung trug durch Offenhaltung des Gebietes maßgeblich zur Entwicklung der Heidelandschaft bei und schuf hervorragende Bedingungen für die Calluna-Heide. Heute sind im Gebiet die Spuren des Übungsplatzes weitgehend beseitigt und geeignete Erhaltungsmaßnahmen, die eine Wiederbewaldung verhindern und eine Regenerierung der Heidebestände fördern, müssen angewandt werden. Dazu zählen Entbuschung, Plaggen, Mahd und der Feuereinsatz. Das kontrollierte Brennen stellt eine bewährte Maßnahme zur Verjüngung und Beseitigung konkurrierender Arten in den Kellerbergen dar und wurde bereits mehrmals, u.a. durch das Büro für Ökologie und Naturschutz Rana und die Feuerwehr der Stadt Gardelegen, durchgeführt. Die Nr. 1 der Heidepfleger sind allerdings die Heideschnucken eines ortsansässigen Schäfers, der schon seit 1992 die Flächen des FFH-Gebietes bewirtschaftet. Durch die Weiterführung und Intensivierung der gezielten Pflegemaßnahmen können die kulturhistorisch gewachsenen Lebensraumtypen und deren seltenen, spezialisierten Arten noch lang erhalten bleiben und zum Verbund des europäischen Natura 2000-Netzes beitragen. 

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