Bodetal und Laubwälder des Harzrandes bei Thale (FFH0161)

Rosstrappe © Dr. Matthias Jentzsch (LAU)Rosstrappe © Dr. Matthias Jentzsch (LAU)

Größe [ha]: 5.773
Landkreise und kreisfreie Städte: Harz
Verwaltungseinheiten: Einheitsgemeinde Stadt Oberharz am Brocken; Einheitsgemeinde Stadt Blankenburg (Harz); Einheitsgemeinde Stadt Thale; Einheitsgemeinde Stadt Quedlinburg

Gebietsbeschreibung

Das FFH-Gebiet umfasst großflächige Waldgebiete im Einzugsgebiet der Bode südlich von Thale und ist hinsichtlich seiner standörtlich morphologischen Differenzierung, der Mannigfaltigkeit der Vegetation und der Vielfalt der Arten von herausragender ökologischer Bedeutung. Das Schutzgebiet erstreckt sich in seiner Ost-West-Ausdehnung von Friedrichsbrunn bis an die Rappbodetalsperre und den Eichenberg im „Mittelharz“, sowie in Nord-Südrichtung vom „Nördlichen Harzrand“ bis zum Klingenberg bei Stiege. Die Höhenlagen reichen von 170 m ü. NN am Harzrand bis zu 517 m ü. NN auf der Harzhochfläche. Das Gebiet wird von den tief eingeschnittenen Tälern der Bode, Luppbode und Rappbode, der von ihnen gegliederten Mittelharzhochfläche und dem steil abfallenden Nordharzrand geprägt. Nahe Thale durchbricht die Bode canyonartig die Zone des im Oberkarbon gebildeten Ramberg-Granits. Oberhalb des Bodekessels lösen Tonschiefer und Quarzite den Granit ab. Der Talboden setzt sich aus Grobschottern und Kiessand zusammen. Innerhalb des FFH-Gebietes befindet sich das NSG Bodetal, das NSG Eichenberg sowie das NSG Steinköpfe (Interaktive Karte der NSG).

Lebensraumtypen und Flora

Die vorherrschende Waldgesellschaft im Gebiet ist der FFH-LRT 9130 Waldmeister-Buchenwald (2180 ha). Er kommt auf basischen und nährstoffreicheren Böden der Unterharzhochfläche vor und ist floristisch recht artenreich. In der Baumschicht dominiert die Rotbuche (Fagus sylvatica), begleitet von Trauben-Eiche (Quercus petraea), Winter-Linde (Tilia cordata), Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus) und Gemeiner Vogelkirsche (Prunus avium). Typische Arten der Krautschicht sind Waldmeister (Galium odoratum), Einblütiges Perlgras (Melica uniflora), Ährige Teufelskralle (Phyteuma spicatum) und Wald-Segge (Carex sylvatica). Besonders artenreiche Ausprägungen treten in langjährig störungsfreien Altbuchenwäldern nahe Thale auf. Bemerkenswert sind hier die Populationen verschiedener Orchideenarten (z. B. Epipactis leptochila, Neottia nidus-avis, Cephalanthera damsonium). Der Blattlose Widerbart (Epipogium aphyllum) wurde 2002 das letzte Mal nachgewiesen.

Der FFH-LRT 9110 Hainsimsen-Buchenwald (365 ha) stockt hingegen überwiegend auf flachgründigen und bodensauren Standorten oder auf den armen Quarzit- und Granitstandorten der Höhenlagen. Am Harzrand kommt nicht selten die Trauben-Eiche (Quercus petraea) im Hainsimsen-Buchen-Wald vor. In den höheren Regionen dringt, forstwirtschaftlich gefördert, die Fichte (Picea abies) in die Bestände ein, während auf stark ausgehagerten Standorten der Anteil an Eichen zunimmt. In der Bodenvegetation bilden sich häufig Reinbestände der Heidelbeere (Vaccinium myrtillus) aus. Besser mit Nährstoffen versorgt und auch artenreicher ist der FFH-LRT 9170 Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald (280 ha) auf den Mittelhängen des Bodetals. Zu den namengebenden Baumarten kommen dort noch weitere begleitende Gehölze wie Elsbeere (Sorbus torminalis), Hasel (Corylus avellana) oder Seidelbast (Daphne mezereum) hinzu. Die Krautschicht ist reich an Hohlem Lerchensporn (Corydalis cava), Pfirsichblättriger Glockenblume (Campanula persicifolia), Geflecktem Aronstab (Arum maculatum) und Ebensträußiger Margerite (Tanacetum corymbosum). An den wärmegetönten Südhängen des Bodetals geht diese Waldgesellschaft in einen subkontinental geprägten Fingerkraut-Eichen-Trockenwald über, der auf basenreichem Diabas wächst. An nährstoffarmen Trockenhängen bildet sich dagegen der seltene Felsheide-Kiefern-Wald aus.

Auf den Hängen entlang der Bode bis Treseburg erstreckt sich der FFH-LRT 9180* Schlucht- und Hangmischwälder (240 ha), aber man findet ihn vereinzelt auch noch bodeaufwärts an einzelnen Steilhängen. Wegen der fehlenden forstlichen Nutzung ist er sehr naturnah als Linden-Bergulmen-Bergahorn-Wald mit den typischen Arten der Bodenvegetation, wie Ausdauerndes Silberblatt (Lunaria rediviva), Echtes Springkraut (Impatiens noli-tangere) und Dorniger Schildfarn (Polystichum aculeatum), ausgeprägt. Im Kernbereich des Bodetals treten zudem wenige autochthone Eiben (Taxus baccata) auf. Entlang der Bode und ihrer Nebenbäche findet man auch den FFH-LRT 91E0* Erlen- Eschenwälder (132 ha), der im Talgrund als Hainmieren-Erlen-Wald oder Winkelseggen-Erlen-Eschen-Wald auftritt. Wertbildende Arten in der Bodenvegetation sind Winkel-Segge (Carex remota), Sumpf-Pippau (Crepis paludosa), Mittleres Hexenkraut (Circaea intermedia), die Milzkrautarten Chrysosplenium alternifolium, und C. oppositifolium sowie Platanenblättriger Hahnenfuß (Ranunculus platanifolius).

Die extremen, waldfreien Standorte auf nährstoffreicheren Böden der Südhänge des Bodetals nehmen Besenginster-Zwergmispel-Gebüsche ein, die auf noch stärker sonnenexponierten Felsstandorten in die subkontinental beeinflussten, an Graslilien (Anthericum spec.) reichen Wolfsmilch-Heidekrautheiden (Ausprägung des FFH-LRT 4030 Trockene europäische Heiden) übergehen.

Der FFH-LRT 3260 Flüsse mit Wasservegetation (43 ha) umfasst die Bode mit ihren Nebenflüssen. Die Bode war bis 1990 durch Nährstoffeinträge aus Altenbrak reich an submersen Wasserpflanzen, was jedoch nicht den natürlichen Verhältnissen entsprach. Die Wasserqualität hat sich seither deutlich verbessert, die untypischen Vegetationsbestände sind wieder zurückgegangen.
 
Der FFH-LRT 6430 Feuchte Hochstaudenfluren (ca. 16 ha) wächst außerhalb der felsigen Bereiche linear auf beiden Ufern der Bode im oberen Bodetal, zwischen Treseburg und Wendefurth sowie an den Nebenbächen.
Flächen des FFH-LRT 6520 Berg-Mähwiesen (165 ha) finden sich häufig in den Bachtälern westlich Allrode, an den weniger steil geneigten Hängen des Bodetals und in der Talaue der Orte Treseburg, Altenbrak und Wendefurth. Es handelt sich dabei entweder um die Waldstorchschnabel-Goldhafer-Wiese oder, auf nährstoffärmeren Standorten, um die Teufelskrallen-Rotschwingel-Wiese. Wertbestimmende Arten sind Perücken-Flockenblume (Centaurea pseudophrygia), Schlangen-Knöterich (Bistorta officinalis), Kanten-Hartheu (Hypericum maculatum), Berg-Platterbse (Lathyrus linifolius) und Kopfige Teufelskralle (Phyteuma orbiculare). Auf den nährstoffarmen Lagen der Hochfläche kommt die Bärwurz-Rotschwingel-Wiese mit Arnika (Arnica montana), Bärwurz (Meum athamanticum) und Borstgras (Nardus stricta) vor. Im südlichen Teil des Gebietes bei Allrode und auf dem Klingenberg siedelt der FFH-LRT 6230* Borstgrasrasen (4 ha) und stellt Artefakte der ehemaligen Hutewirtschaft dar. Kennzeichnende Arten sind neben dem Borstgras (Nardus stricta) auch Arnika (Arnica montana), Pillen-Segge (Carex pilulifera) und Bärwurz (Meum athamanticum). Dagegen sind die Bestände des FFH-LRT 6510 Magere Flachland-Mähwiesen (9 ha) ausschließlich am Harzrand als Glatthafer- und als Fuchsschwanz-Wiesen anzutreffen.

An den Granitwänden des Bodetals treten der FFH-LRT 8220 Silikat-Felsspaltenvegetation und der FFH-LRT 8150 Kieselhaltige Schutthalden (insgesamt 55 ha) auf. Hier ist als Besonderheit die Rasen-Steinbrech-Gesellschaft sowohl auf Schutthalden als auch auf Felsen ausgebildet. Typische Arten sind Rasen-Steinbrech (Saxifraga rosacea), Glänzender Storchschnabel (Geranium lucidum) und Schmalblättriger Hohlzahn (Galeopsis angustifolia). In den Felsspalten kommen Nördlicher und Braunstieliger Streifenfarn (Asplenium septentrionale, A. trichomanes) vor. Nur an zwei Stellen wächst die Hirschzunge (Phyllitis scolopendrium).

Fauna

Luchs (Lynx lynx) und Wildkatze (Felis silvestris) nutzen das gesamte Bodetal als Streifgebiet. Auch Reproduktionsnachweise liegen vor. Die Haselmaus (Muscardinus avellanarius) wurde seit dem Jahr 2000 nur noch an der Roßtrappe und bei Hasselfelde bestätigt. Mehrere Altnachweise, insbesondere aus den Randbereichen, lassen auf eine weitere Verbreitung hoffen. Die Laub- und Laubmischwälder haben zudem eine große Bedeutung für die Fledermausfauna, von der bislang 16 Arten festgestellt wurden. Das Große Mausohr (Myotis myotis) sowie Mops- und Bechsteinfledermaus (Barbastella barbastellus, Myotis bechsteinii) nutzen das Gebiet zur Jagd. Die Stollen im zentralen Teil des Gebietes (Luppbodestollen, Falkenklippenstollen, Rehetäler) dienen dem Mausohr zudem als Winterquartier. Ebenfalls zu erwähnen ist das regelmäßige Auftreten der erst kürzlich als eigene Art anerkannten Nymphenfledermaus (Myotis alcathoe).

Für das Gebiet liegen Nachweise von Schlingnatter (Coronella austriaca) und Zauneidechse (Lacerta agilis) vor. Von den Lurchen treten auch Springfrosch (Rana dalmatina) und Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) im Gebiet auf. In der Bode kommen sowohl Groppe (Cottus gobio) als auch Bachneunauge (Lampetra planeri) vor. Vom Edelkrebs (Astacus astacus) existieren historische Nachweise.

Der Schwarzapollo (Parnassius mnemosyne) ist im Jahre 1978 zum letzten Mal gefunden worden und muss als ausgestorben gelten. Die Spanische Flagge (Euplagia quadripunctaria) hingegen kommt noch aktuell im Gebiet vor. Vom Hirschkäfer (Lucanus cervus) existieren Altnachweise aus verschiedenen Bereichen. Aktuell wird die Art regelmäßig aus der Umgebung des Eggeröder Forsthauses gemeldet. In einem Eichen-Trockenwald wurde im Jahre 2010 der Eremit (Osmoderma eremita) festgestellt (Hellmann, mdl. Mitt.). Als faunistische Besonderheit ist zudem auf das Vorkommen der Bockkäferart Anastrangalia dubia hinzuweisen, die für Sachsen-Anhalt als verschollen galt. In Deutschland bildet dieser Nachweis für den Harz den nördlichsten Fundpunkt der Art.

Der größte Teil des FFH-Gebietes ist zugleich als EU SPA eingestuft. Charakteristische Brutvogelarten für den gesamten Bodeverlauf sind Wasseramsel (Cinclus cinclus) und Gebirgsstelze (Motacilla cinerea). Zusammen mit dem Selketal beherbergt das Gebiet das größte Baumbrütervorkommen des Mauerseglers (Apus apus) in Deutschland. Weitere wertgebende Höhlenbrüterarten sind Raufußkauz (Aegolius funereus), Sperlingskauz (Glaucidium passerinum), Grauspecht (Picus canus), Schwarzspecht (Dryocopus martius), Mittelspecht (Dendrocopos medius) und Zwergschnäpper (Ficedula parva). Landesweite Bedeutung haben die Felsbrütervorkommen von Wanderfalke (Falco peregrinus) und Uhu (Bubo bubo) sowie die Bestände von Schwarzstorch (Ciconia nigra) und Wespenbussard (Pernis apivorus).

Literatur: 23, 30, 65, 69, 84, 88, 158, 207, 208, 212, 264, 336, 338, 361, 366, 420, 515

verändert nach:

Jentzsch, M. und Reichhoff, L. (2013): Handbuch der FFH-Gebiete Sachsen-Anhalts. Hrsg. Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 616 Seiten

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