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Beschreibung
Der Luchs ist eine mittelgroße Katzenart. Da die Schulterhöhe in etwa der Rückenlänge entspricht, erhält der Körperumriss nahezu quadratische Proportionen (HEMMER 1993b). Charakteristisch sind die etwa 4 cm langen Haarpinsel an den Ohren (Pinselohren) und der hellgraue Backenbart. Das dichte Fell kann in der Färbung zwischen rotbraun und gelb- bis hellgrau variieren, wobei die Körperunterseiten (Bauch, Brust, Kehle und Kinn) meist weißlich gefärbt sind. Der Schwanz ist vergleichsweise kurz und erscheint am Ende wie abgeschnitten (Stummelschwanz). Die Kopf-Rumpf-Länge ausgewachsener Tiere beträgt 80 – 130 cm. Die Körpermasse adulter Weibchen erreicht 15 – 20 kg, die der Männchen 20 – 25 kg (HEMMER 1993b).
Biologie und Ökologie
Der Lebensraum der Art sind ausgedehnte, deckungsreiche Waldgebiete. Morphologische Anpassungen (Hochbeinigkeit, große Auflagefläche der Pfoten) ermöglichen dem Luchs, im Gegensatz zur Wildkatze, auch ein Leben in Gebieten mit langanhaltenden Schneelagen bis zu 0,5 m Höhe (HEMMER 1993b). Die Tiere leben einzelgängerisch in ausgedehnten Revieren. Deren Größe schwankt je nach Lebensraum, kann aber bis zu 300 km² betragen. Die Paarungszeit liegt im Spätwinter (Februar/ März). Nach ca. 73 Tagen Tragzeit werden im Mai durchschnittlich 2 – 3 Junge geboren, die fast ein Jahr von der Mutter geführt werden. Der Nahrungserwerb erfolgt durch Pirschjagd und Überraschungsangriff. Die mit Abstand wichtigste Nahrung des Luchses stellen in Mitteleuropa Rehe dar. Daneben werden aber auch Jungtiere von Rot- und Damwild sowie Muffelwild erbeutet. In geringerem Maße werden kleinere Beutetiere bis Hasengröße (Hasen, Mäuse, Vögel) genutzt (HEMMER 1993b).
Verbreitung
Der in der gesamten Holarktis vorkommende Luchs war in den Waldgebieten Europas mit Ausnahme der Iberischen Halbinsel (dort Pardelluchs (Lynx pardinus) als autochthone Art) ehemals weit verbreitet. Die starke Bejagung in Verbindung mit der Zerstörung des Lebensraumes führte dazu, dass der Luchs in vielen Gebieten West- und Mitteleuropas seit ca. 200 Jahren ausgerottet ist (BUTZECK et al. 1988, HEMMER 1993b). Vitale Restpopulationen überlebten lediglich in Skandinavien, Nordosteuropa (v.a. Baltikum und Russland), den Karpaten und auf dem Balkan (MITCHELL-JONES et al. 1999). Gefördert durch die Aussetzung von Karpatenluchsen konnten „neue“ Populationen in den Vogesen, im Schweizer Jura, in den Alpen (v.a. Schweiz) sowie in Kroatien und Slowenien etabliert werden. In Deutschland wurde der Luchs im 19. Jahrhundert vollständig ausgerottet. Heute existieren in einigen Gebieten wieder dauerhafte Luchsvorkommen, die aber zum überwiegenden Teil auf Aussetzungen zurückgehen. Dies betrifft die Vorkommen im Bayerischen Wald (Aussetzung in Böhmen) und dem Pfälzerwald (Aussetzung in den Vogesen) (WOTSCHIKOWSKY 2002). Die Nachweise von Luchsen in der Sächsischen Schweiz, speziell dem Elbsandsteingebirge (RIEBE 1994) und im Thüringer Wald (Einzelbeobachtungen) (KLAUS zit. i. RIEBE 1994) deuten auf eine Wiederbesiedlung der hercynischen Mittelgebirge hin, wobei die Herkunft der Tiere (Karpaten?) jedoch unklar ist. In neuerer Zeit werden auch im Nationalpark Harz (Niedersachsen) Luchse ausgesetzt (BARTH & POHLMEYER 2000, BARTH 2002), um in diesem Mittelgebirge eine eigenständige Luchspopulation zu begründen.
Bestandssituation in Sachsen-Anhalt
In Sachsen-Anhalt sind derzeit lediglich aus dem Harz (v.a. Hochharz, aber auch Süd- und Ostharz) Nachweise von Luchsen bekannt (SACHER mdl. Mitt.). Die beobachteten Tiere stammen mit großer Sicherheit aus dem im Westharz initiierten Aussetzungsprojekt. Ausgehend von den Lebensraumansprüchen der Art ist in Sachsen-Anhalt nicht mit Ansiedlungen außerhalb des Harzes zu rechnen (SCHADT et al., zit. in WOTSCHIKOWSKY 2001). Allerdings sind die für eine dauerhafte Ansiedlung zu kleinen Waldgebiete Sachsen-Anhalts außerhalb des Harzes nach LAU (2016) als Trittsteinbiotope geeignet, um die als geeignet eraschteten Waldgebiete Norddeutschlands besiedeln zu können. Da die in Niedersachsen ausgewilderten Tiere erst seit Ende 2002 durch Ohrmarken sichtbar markiert sind und nicht telemetrisch verfolgt werden, lässt sich der Bestand der Art in Sachsen-Anhalt schwer ermitteln.
Auch das Fotofallenmonitoring 2015/2016 fand zum überwiegenden Teil im niedersächsischen Teil des Harzes statt. Hierbei wurde innerhalb des untersuchten Gebietes eine Dichte von 2,3 selbstständigen Luchsen pro 100 km² ermittelt. Werden die dokumentierten unselbstständigen jungtiere mit eingerechnet, ergibt sich eine Dichte von 3,8 Luchsen/100 km². (MIDDELHOFF & ANDERS 2016)
Gefährdung und Schutz
Die anthropogene Gefährdung der Art ist noch für das sachsen-anhaltische Vorkommen als gering einzustufen. Der Straßenverkehr stellt zwar eine potenzielle Gefahr dar, ist aber aufgrund der nächtlichen Aktivität der Tiere und der noch geringen bis mittleren Populationsdichte gegenwärtig zu vernachlässigen. Auch eine zweite Gefahrenquelle für den Luchs, die illegale Bejagung, spielt im Harz keine Rolle. Für nachweisbare Übergriffe auf Haustiere erhalten Tierhalter eine finanzielle Entschädigung durch das Land Niedersachsen (SACHER in litt.).
Rote Liste Deutschland: 2 – Stark gefährdet (Stand 2009)
Rote Liste Sachsen-Anhalt: D – Daten unzureichend (Stand 2004)
entnommen aus:
Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2004): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Tier- und Pflanzenarten nach Anhang IV der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 142 S.
LAU - LANDESAMT FÜR UMWELTSCHUTZ SACHSEN-ANHALT (2016): Tierartenonitoring Sachsen-Anhalt - Luchs. Online verfügbar unter http://www.tierartenmonitoring-sachsen-anhalt.de/index.php Zugriff am 11.10.2016
MIDDELHOFF, T. L. & ANDERS, O. (2016): Abundanz und Dichte des Luchses im westlichen Harz. Fotofallenmonitoring 2015/2016, Projektbericht, Nationalpark Harz.