Lebende Hochmoore

- LRT 7110* -

Beschreibung

Der LRT umfasst unbeeinträchtigte und wachsende, d.h. fortlaufend organische Substanz akkumulierende, ausschließlich vom Niederschlagswasser gespeiste Moore in humiden Gebieten. Die Vegetation ist extrazonal, d.h. von Pflanzenarten geprägt, die ihre Verbreitungsschwerpunkte außerhalb der nemoralen Zone haben. Häufig ist eine charakteristische, von Torfmoosen (div. Sphagnum spec.) dominierte Hochmoorbulten-Vegetation vorhanden. Offene Hochmoorschlenken können ausgebildet sein. Die Moorfläche kann locker mit Einzelbäumen oder mit Gebüschen bestandene Bereiche aufweisen. Zum Hochmoorkomplex gehören alle innerhalb des Randlaggs gelegenen Bereiche wie z.B. Bulte, Schlenken, Kolke und Mooraugen sowie das Randlagg selbst. Die dem LRT zuzuordnenden Moore dürfen nicht durch strukturelle anthropogene Beeinträchtigung (auch historische) der Morphologie und Hydrologie, insbesondere durch Stichgräben oder Torfstiche, beeinflusst sein. Größere dystrophe Gewässer mit typischer Vegetation, dauerhafter Wasserführung und einer Wassertiefe von mindestens 20-40 cm gehören zum LRT 3160 (Dystrophe Seen und Teiche). Stellt der Moorkern einen Übergang zum Niedermoor dar, ist der Moorkomplex als Übergangs- und Schwingrasenmoor (LRT 7140) zu erfassen. Die Abgrenzung der lebenden Hochmoorkomplexe des LRT 7110 vom LRT 7120 (geschädigte, regenerierbare Hochmoore) ist schwierig. Bestände, die einen weitgehend intakten Hochmoorkern mit typisch ausgebildeter Vegetation aufweisen und höchstens in peripheren Bereichen des Moorkomplexes gewisse Beeinträchtigungen erkennen lassen, sind noch als LRT 7110 einzustufen. Mit großer Wahrscheinlichkeit durch natürliche Prozesse bedingte Stillstandsphasen des Moorwachstums und Bereiche, die einer natürlichen Torferosion unterliegen, können dem LRT 7110 noch zugeordnet werden. Dagegen werden zum LRT 7120 alle Hochmoorbestände gezählt, die auch in ihrem Kernbereich schon deutliche, anthropogen bedingte Schäden z.B. infolge Abtorfung und Entwässerung zeigen. Auch Moore, die sich im Stadium fortgeschrittener Gehölzsukzession befinden, sind als LRT 7120 zu fassen, solange sie noch nicht die Kriterien der Moorwälder (LRT 91D0) erfüllen.

Standort

Lebende Hochmoorkomplexe sind durch die Entwicklung und das Wachstum von Torfdecken infolge Akkumulation organischen Materials (besonders der basalen Teile der Torfmoose) sowie durch eine wirksame Unterbindung der Mineralisierung gekennzeichnet. Der Torfkörper wächst aus dem Grundwassereinfluss des unterlagernden Mineralbodens hinaus. Der Wasserhaushalt ist weitgehend oder vollständig vom Niederschlag abhängig. In Europa müssen die jährlichen Niederschläge mehr als 550 mm bei gleichzeitig geringer Verdunstungsrate durch niedrige Jahresmitteltemperaturen betragen, damit es zur Ausbildung von Hochmooren kommen kann. Naturnahe, lebende Hochmoore sind durch extreme Nährstoffarmut (ombrotropher Nährstoffhaushalt) und ein stark saures Milieu (pH < 4) gekennzeichnet.

Vorkommen

In der Kulturlandschaft stellen lebende Hochmoorkomplexe Inseln ahemerober Lebensräume dar. Eine nachhaltige anthropogene Nutzung ist in Mitteleuropa nicht möglich. Im Gegenteil, zur Erhaltung ist eine Abschirmung gegenüber allen Kultureinflüssen nötig, insbesondere die Verhinderung von Stickstoffeinträgen sowie von Entwässerung und Aufforstung.

Pflege/Schutz

Primär ist kein Pflege- und Erhaltungsaufwand für diesen natürlichen Lebensraumtyp erforderlich. Managementmaßnahmen sollten sich auf die Abschirmung von anthropogenen Einflüssen konzentrieren. Wichtig, jedoch nur großräumig zu steuern, wäre eine Verringerung der atmosphärischen Einträge von Stickstoffverbindungen. Auch die Immission von Schwefel- und Stickoxiden wirkt schädigend, da dadurch Zersetzungsprozesse im oberen Torfkörper eingeleitet werden. Daraus ergeben sich geringere Porengrößen im Substrat und stärkere Wasserstandsschwankungen, die das Aufkommen von Gehölzen fördern. Überschreiten die atmosphärischen Schwefeloxidimmissionen sowie die Stickstoffeinträge 15 kg/ha und Jahr, kommt es bei den Torfmoosen zu einem Artenwechsel. Die oligotrophilen bunten Torfmoose (Sphagnum fuscum, S. rubellum, S. magellanicum) werden von mesotrophilen grünen, kaum torfbildenden Torfmoosen (z.B. Sphagnum fallax) ersetzt. Kompensationskalkung in unmittelbar an den Lebensraum angrenzenden oder in naheliegenden Waldbeständen sind unbedingt zu unterlassen, da die Gefahr des Eintrags des ausgebrachten Kalkes ins Moor besteht. In klimatischen Grenzregionen der Hochmoorverbreitung ist ein Schutz vor übermäßigen Verdunstungsverlusten durch die Einrichtung klimatischer Schutzzonen zu gewährleisten. Dazu ist, soweit vorhanden, die Erhaltung bzw. Renaturierung von sich in der Umgebung befindenden intakten Niedermooren notwendig, da diese durch hohe Evaporation den Feuchtigkeitsgehalt der Luft erhöhen. Ausgedehnte nasse Moorbereiche stellen zudem Kaltluftgebiete dar, in denen die Verdunstungsrate erniedrigt ist. Ebenfalls verdunstungsmindernd wirkt, vor allem in der Hauptwindrichtung, die Erhaltung schützender Waldstreifen um die Hochmoore. Eine flächige Moorbewaldung entwertet diesen Lebensraum, da nach dem Aufkommen einer Gehölzsukzession lichtbedürftige Arten wie Rosmarinheide (Andromeda polifolia), Rundblättriger Sonnentau (Drosera rotundifolia), Scheidiges Wollgras (Eriophorum vaginatum) und Gewöhnliche Rasenbinse (Trichophorum cespitosum) durch Beschattung verdrängt werden. Das gilt auch für Tierarten, die auf offene Moorbereiche angewiesen sind wie z.B. Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea). Ein massives Gehölzaufkommen ist allerdings schon ein deutlicher Hinweis auf eine Beeinträchtigung der davon betroffenen Moorbereiche. Solche Flächen gehören daher nicht zum Lebensraumtyp, sie sind vielmehr dem LRT 7120 zuzuordnen. Eine Moorbewaldung könnte in anthropogen kaum gestörten Mooren auch die Folge der natürlichen Mooralterung, einer Klimaänderung oder einer durch natürliche Prozesse bedingten geringeren Wasserspeisung sein.

Ausgewählte lebensraumtypkennzeichnende (wertgebende) ArtenTextfeld öffnenTextfeld öffnen

Literatur:

52, 80, 89, 110, 151, 193, 242, 287, 299, 303, 319

entnommen aus:

Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2002): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Lebensraumtypen nach Anhang I der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 368 S.

zum Anfang der Seite