Frauenschuh (Cypripedium calceolus)

Frauenschuh © Christoph HeinFrauenschuh © Christoph Hein

Beschreibung

Der Frauenschuh ist eine krautige, 15 – 70 cm hohe Orchidee mit unterirdisch kriechendem Rhizom. Der Stängel ist aufrecht, am Grunde mit wenigen bräunlichen Schuppenblättern besetzt, darüber stehen gewöhnlich zwei bis vier breitelliptische, vorn zugespitzte, frisch hellgrüne Laubblätter mit stark hervortretenden Parallelnerven. Die Blüte ist unverkennbar, sie besteht inklusive der goldgelben, schuhförmigen Lippe aus fünf Blütenhüllblättern. Ursprünglich war das Perigon sechsblättrig, aber die beiden äußeren seitlichen Perigonblätter sind miteinander verwachsen und bilden das untere Blatt der Blütenhülle. Meist ist je Trieb nur eine Blüte ausgebildet, vereinzelt sind aber auch Exemplare mit zwei bis zu sehr selten vier Blüten zu finden.

Biologie, Standorte und Soziologie

Die Orchidee ist ein ausdauernder Geophyt mit einer Blütezeit von Mai bis Juni. Sie zählt zu den Kesselfallenblumen, deren Bestäubung vor allem durch Sandbienen (Gattung Andrena) erfolgt. Der in großer Menge gebildete, bis 40.000 pro Kapsel, staubfeine Samen wird durch den Wind ausgebreitet. Zur Keimung ist er, wie bei allen Orchideen, auf spezifische symbiontische Pilze angewiesen (endotrophe Mykorrhiza). Die Jugendentwicklung erfolgt sehr langsam. Im Zuge der Keimung entwickelt sich im Boden zunächst ein undifferenziertes Keimknöllchen (Protokorm), erst nach drei bis vier Jahren wird ein erstes Laubblatt gebildet: Unter optimalen Standortbedingungen kommt die Pflanze frühestens nach sechs bis acht Jahren zur Blüte (ARBEITSKREIS HEIMISCHE ORCHIDEEN THÜRINGEN E.V. 1997). Es erfolgt auch eine vegetative Vermehrung durch Verzweigung der Rhizome, dadurch können vieltriebige Horste gebildet werden. Die Vorkommen des Frauenschuhs befinden sich in borealen und montanen Nadelwäldern, Legföhren-Gebüschen, Kiefern- Trockenwäldern, Eichen-Hainbuchenwäldern, Buchenwäldern, wärmeliebenden Edellaubholzwäldern, Laubgebüschen, Waldsäumen, verbuschenden Halbtrockenrasen und Nadelholz- (meist Kiefern-) Forsten. In Sachsen-Anhalt kommt die Art in wärmeliebenden Wäldern, in Gebüschen und Säumen kalk- oder zumindest basenreicher Böden vor, besonders in Orchideen-Buchenwäldern vergesellschaftet mit weiteren Orchideen der Gattungen Nestwurz (Neottia), Waldvöglein (Cephalanthera) und Sitter (Epipactis). Aber auch in Kiefernaufforstungen steiler Kalkhänge und an lichten Gehölzbeständen verbuschender Kalk-Halbtrockenrasen ist der Frauenschuh zu finden.

Verbreitung

Arealformel: submeridional/montan-boreal-subkontinental-pläarktisch. Das ausgedehnte Gesamtareal umfasst die temperate Zone der sommergrünen Laubwälder und Waldsteppen sowie die boreale Zone der nördlichen Taiga-Nadelwälder Eurasiens (MEUSEL et al. 1965). In den ausgeprägt ozeanischen Gebieten selten, nur in N-England und in Norwegen. Das relativ geschlossene Areal erstreckt sich von den SW-Alpen über den gesamten Alpenraum (bis zu einer Höhe von 1.600 – 1.900 m ü NN), die zentraleuropäischen Hügelländer und Mittelgebirge und die Karpaten, weiterhin über das nördliche und zentrale Dinarische Gebirge. Schon in Norddeutschland vereinzelt im Tiefland, im östlichen Mitteleuropa und Osteuropa im Tief und Hügelland zerstreut, die Südgrenze des Areals folgt etwa der Waldsteppen-Zone. In Mittelschweden und im Gebirge in S-Norwegen verbreitet. Dringt in Skandinavien weit über den Polarkreis nach Norden vor, zerstreut bis nahe des Nordkaps und auf die Kolahalbinsel (MEUSEL et al. 1965, TUTIN et al. 1991). In Deutschland verbreitet in den Alpen und im S-Alpenvorland. Nördlich der Donau in der Schwäbischen und Fränkischen Alb, seltener im Neckar-Tauber-Land und in Mainfranken. In den Muschelkalk- und Zechsteingebieten der Randplatten des Thüringer Beckens stellenweise recht häufig, seltener und z.T. erloschen im Niedersächsischen Bergland und im N-Harzvorland. Im Tiefland weitgehend fehlend, wenige teilweise bereits erloschene Einzelvorkommen im südöstlichen Niedersachsen und im nördlichen Sachsen-Anhalt, sowie in O-Brandenburg und auf Rügen (BENKERT et al.1998, KORNECK et al.1996, SSYMANK et al. 1998).

Bestandssituation in Sachsen-Anhalt

Der Frauenschuh ist in Sachsen-Anhalt sehr selten und bereits vielfach verschwunden. Insgesamt war in den letzten einhundert Jahren ein drastischer Verlust an Fundorten zu verzeichnen (v.a. Harz(-vorland), Mittelelbe, Altmark). Letzte Vorkommen im nördlichen Harzvorland wurden noch in den 1990er Jahren nachgewiesen (HERDAM et al. 1993), heute ist die Art jedoch dort überall verschollen. Aktuell kommt der Frauenschuh noch mit drei kleinen Populationen im Bereich des Südharzes vor (KRUMBIEGEL et al. 2012). Der Schwerpunkt der aktuellen Verbreitung in Sachsen-Anhalt ist das untere Unstruttal. Hier finden sich noch mehrere, meist jedoch relativ individuenarme Vorkommen (KALLMEYER & ZIESCHE 1996). MEYSEL (2013) geht davon aus, dass sich mittelfristig überlebensfähige Populationen nur noch in einem Waldgebiet bei Bad Briba sowie am Rand der Querfurter Platte im Bereich der unteren Unstrut befinden. Auch hier gehen jedoch aktuell weitere Vorkommen verloren, oft ohne dass die Ursachen offensichtlich wären (HEIN & MEYSEL 2010).

Gefährdung und Schutz

Ehemals stellten forstwirtschaftliche Maßnahmen wie die Umwandlung lichter Gebüsche sowie Mittel- und Niederwälder in schattigere Hochwälder, die direkte Vernichtung von Vorkommen durch Holzeinschlag, Holztransport, Wegebau und Aufforstung eine nicht unwesentliche Gefährdungsursache dar. Andererseits wirkten sich manche waldbauliche Maßnahmen, etwa die Aufforstung bestimmter Bereiche mit Kiefern, langfristig eher positiv aus. In einem dichtgeschlossenen Kiefernjungwuchs ist die Art allerdings nicht überlebensfähig, vermutlich wandert sie aus der Umgebung erst allmählich in die Altbestände ein. Heute ist der Frauenschuh örtlich bei spontanem Gehölzaufkommen durch starke Beschattung der Wuchsorte gefährdet. Trotz Schutzstatus und Lage vieler Vorkommen in Naturschutzgebieten wird dem Frauenschuh durch Pflanzenliebhaber stark nachgestellt, sodass durch Ausgraben auch in jüngster Zeit manche Vorkommen in Sachsen-Anhalt stark geschädigt oder sogar vollständig vernichtet worden sind (HERDAM mündl. Mitt.). Die Art kann vor allem durch den Flächenschutz der Standorte erhalten werden. Eine auf die Erhaltung des Frauenschuhes abgestimmte Pflege der Wuchsorte durch selektive Gehölzentnahme bei zu starker Beschattung kann fallweise notwendig werden. Die forstwirtschaftliche Nutzung hat sich dem Schutzerfordernis unterzuordnen. Starke Auflichtung, Aufforstung, ein Unterbau von Schattholzarten, der Wegebau sowie Befahrung und Holzbringung im Bereich der Standorte sind nicht zulässig. Eine Überwachung der Bestände durch Naturschutzmitarbeiter, besonders zur Blütezeit, soll das illegale Ausgraben unterbinden.

Rote Liste Deutschland:                    3 – Gefährdet (Stand 1996)

Rote Liste Sachsen-Anhalt:               2 – Stark gefährdet (Stand 2004)

Literatur

entnommen aus:

HEIN, C. & F. MEYSEL (2010): Verbreitung, Ökologie, Gefährdung und Management des Frauenschuh (Cypripedium calceolus L., Orchidaceae) in Sachsen-Anhalt. In: Ber. Arbeitskr. Heim. Orchid. 27 (1), S. 6-50.

KRUMBIEGEL, A., D. FRANK, J. ECKSTEIN, C. HEIN, F. KOMMRAUS & F. Meysel (2012): Das Monitoring der Pflanzenarten der Anhänge II und IV der FFH-Richtlinie in Sachsen-Anhalt. In: Mitt. florist. Kart. Sachsen-Anhalt 17, S. 3-24.

Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2001): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Tier- und Pflanzenarten nach Anhang II der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 152 S.

MEYSEL, F. (2013): Die Orchideenarten des Anhangs II der FFH-Richtlinie in Sachsen-Anhalt Teil 2: Der Frauenschuh (Cypripedium calceolus L.). In: Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt, 50. Jahrgang (2013), S. 12-23.

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