Flüsse der planaren bis montanen Stufe mit
Vegetation des Ranunculion fluitantis und des Callitrichio-Batrachion
- LRT 3260 -

Bode im Harz © Lutz DöringBode im Harz © Lutz Döring

Beschreibung

Dieser Lebensraumtyp beinhaltet Fließgewässer, die durch das Vorkommen von flutender Wasserpflanzenvegetation des Verbandes des Ranunculion fluitantis gekennzeichnet sind. Der Verband schließt die Unterwasservegetation in natürlichen und naturnahen Fließgewässern der Submontanstufe und der Ebene ein. Fließgewässer mit geringem bis mäßigem Nährstoffgehalt und guten Sauerstoffverhältnissen (bis beta-mesosaprob) werden auch von den selten vorkommenden limnischen Rotalgen besiedelt. Diese bilden auf verschiedenen Substraten karminrote Krusten und rotviolette bis rotbraune Watten. Sie wachsen im Mosaik mit sehr artenreichen benthischen Kieselalgen-Gesellschaften. Neben natürlichen Fließgewässern wie Bächen und Flüssen können auch Nebenläufe sowie durchströmte Altarme und ständig wasserführende sowie ständig fließende, naturnahe Gräben, z.B. historische Mühlgräben, zum Lebensraumtyp gehören.

Fließgewässer des LRT sind durch freifließende Abschnitte mit zumindest in größeren Teilabschnitten wenig eingeschränkter Fließgewässerdynamik charakterisiert. Unverbaute Ufer, unterschiedliches Substrat sowie die Bildung von Substratbänken, Uferabbrüchen und Anlandungsflächen sind typische Strukturmerkmale dieses Fließgewässerlebensraumes. Kennzeichnend ist ein im Sommer meist niedriger Wasserstand. Die oft kleinflächigen Vorkommen der Submers-Vegetation sollten nicht einzeln und punktgenau aufgenommen werden, sondern es sollten Abschnitte, in denen eine Submers-Vegetation zumindest vereinzelt ausgebildet ist, von großräumig vegetationsfreien Abschnitten abgegrenzt werden. Zum Fließgewässerlebensraum gehört auch das Ufer mitsamt der Ufervegetation z.B. aus Röhricht, Staudenfluren oder Gehölzen. Feuchte Hochstaudenfluren sind am Gewässerufer gesondert als LRT 6430 zu erfassen. Vorkommen von fließgewässerbegleitenden Gehölzen sind gegebenenfalls dem LRT Erlen-Eschen-Wälder und Weichholzauenwälder an Fließgewässern der Ebene bis subalpinen Stufe (LRT 91E0*) bzw. den Eichen-Ulmen-Eschen-Auenwälder größerer Flüsse (LRT 91F0) zuzuordnen. Gewässerstrecken, die durch das großflächige Auftreten von Sand- und Schlammflächen mit entsprechender Vegetation gekennzeichnet sind, werden als Flüsse mit Schlammbänken mit Vegetation des Chenopodion rubri p.p. und des Bidention p.p. (LRT 3270) eingestuft.

Standort

Die kennzeichnenden Wasserpflanzengesellschaften kommen an mehr oder weniger schnell fließenden, klaren oder nur mäßig getrübten Gewässern mit zumindest teilweise fester Gewässersohle vor. Das Ranunculetum fluitantis bevorzugt fließende, nährstoffreiche, besonnte Gewässer mit sandigem bis schlammigem Grund. Das Sparganio emersi-Potamogetonetum pectinati besiedelt eutrophe, kalkhaltige Fließgewässer über schlammigem Grund. Diese Gesellschaft meidet selbst schadstoffbelastete Gewässerabschnitte nicht. Das Veronico-Beruletum erecti ist im amphibischen Bereich kalk- und sauerstoffreicher Bäche, daneben aber auch häufiger in nicht zum Lebensraumtyp gehörenden Entwässerungsgräben mit fast stehendem Wasser anzutreffen. Das Callitricho-Potamogetonetum berchtoldii ist in eutrophen, z.T. etwas beschatteten Bächen geringer Fließgeschwindigkeit mit sandigem Untergrund zu finden. In schnell fließenden, kühlen, klaren, flachen, sauerstoffreichen, nährstoff- und kalkarmen Fließgewässern mit kiesigem bis geröllreichem Untergrund tritt das Callitricho hamulatae-Ranunculetum fluitans auf.

Vorkommen

Fließgewässer wie Bäche und Flüsse sind natürliche Biotope, die unabhängig vom menschlichen Kultureinfluss existieren. Die Fließwassergesellschaften des Ranunculion fluitantis kommen vorwiegend an besonnten Fließgewässern des Flach- und Hügellandes vor. Die Beseitigung oder Auflichtung des gewässerbegleitenden Gehölzbestandes wird diese Wasserpflanzengesellschaften daher zumindest in schmalen Fließgewässern gefördert haben. Andererseits ist die Unterwasservegetation durch Gewässerausbau und -unterhaltung vielfach nur noch fragmentarisch erhalten. Bis in die jüngste Vergangenheit wirkte sich in Sachsen-Anhalt auch die massive Belastung durch Abwassereinleitungen negativ auf die Fließgewässervegetation aus. Seit 1990 hat sich die Gewässerverschmutzung deutlich verringert, daraus resultiert die Wiederausbreitung der entsprechenden Wasserpflanzengesellschaften in vielen Bächen und Flüssen. In den aktuell noch stärker salzbelasteten Fließgewässern ist die Erholung der Vegetation allerdings stark verzögert. Die Fließwasserpflanzengesellschaften, insbesondere das Ranunculetum fluitantis, sind bedeutungsvoll für die Selbstreinigungsvorgänge und zur Sauerstofferzeugung im Gewässer und stellen wichtige Habitate für viele Vertreter der Gewässerfauna dar.

Pflege/Schutz

Fließgewässer des LRT 3260 können durch Nähr- und Schadstoffeintrag, intensive Freizeitnutzung, Stauhaltung zur Stromgewinnung und Bewässerung, Begradigung, Uferverbau und Sohlveränderung, Verrohrung, bestimmte Formen der Gewässerunterhaltung und des Hochwasserschutzes, Grundwasserabsenkung und Entwässerung im Einzugsgebiet gefährdet sein. Negativ wirkt sich die Pflanzung von standortfremden Gehölzen, besonders von Nadelgehölzen und invasiven Laubbaumarten wie Eschen-Ahorn und Rot-Esche, im Uferbereich aus. Bei natürlichen Fließgewässern ist i.d.R. keine Pflege erforderlich. Für den Erhalt der Fließwassergesellschaften des Ranunculion fluitantis ist der Schutz naturnaher und natürlicher Fließgewässer vor Beeinträchtigungen zu gewährleisten. Bei anthropogen überprägten Bereichen sind der Rückbau von Sohl- und Uferbefestigungen, Wehren, Teichen und Staustrecken im Gewässerlauf, die weitestgehende Fernhaltung von Abwassereinleitungen sowie Nährstoffeinträgen aus der Landwirtschaft und eine Wiederherstellung der natürlichen Gewässerdynamik anzustreben. Die Gewässerschonstreifen sollten als Pufferzone zu angrenzenden landwirtschaftlichen Nutzflächen, besonders zu Ackerflächen, genutzt werden.


Gewässerunterhaltung

Eine ökologisch orientierte, schonende Gewässerunterhaltung im Lebensraum erfordert eine umfassende Abwägung unterschiedlicher Verpflichtungen, Ziele und Interessen. Die Unterhaltungsarbeiten sind nur auf die unbedingt notwendigen Erfordernisse zur Erhaltung eines ordnungsgemäßen Zustandes für den Wasserabfluss und an schiffbaren Gewässern auch zur Erhaltung der Schiffbarkeit zu beschränken und haben sich an den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie auszurichten. Für diese restriktive Art der Gewässerunterhaltung sind detaillierte Kenntnisse über die Gewässer notwendig. Die Unterhaltungs- und Pflegeziele sind auf der Grundlage hydraulischer und ökologischer Betrachtungen zu definieren. In diesem Zusammenhang muss verdeutlicht werden, dass die ökologisch schonende Ausführung der Unterhaltungsarbeiten höhere spezifische Kosten verursacht. Deshalb sollte zuerst immer geprüft werden, ob die Unterhaltungsmaßnahmen an den Gewässern und/oder die Häufigkeit der Pflege reduziert werden können. Als fachliche Grundlage können die Empfehlungen der Richtlinie für naturnahe Unterhaltung und Ausbau der Fließgewässer im Land Sachsen-Anhalt genutzt werden. Diese Empfehlungen resultieren weitgehend aus den bestehenden Unterhaltungszwängen und lassen sich gut umsetzen. Um die Auswirkungen der Gewässerunterhaltung auf den Lebensraumtyp so gering wie möglich zu halten, sind aus Naturschutzsicht nachstehende Anforderungen bzw. Grundsätze zu beachten. Es sind nur die Unterhaltungsmaßnamen mit der größten Relevanz bezüglich ihrer Auswirkungen in FFH-Gebieten aufgeführt.


Einstellen/Einschränken der Unterhaltungsmaßnahmen

Das Einstellen oder die weitgehende Einschränkung von Unterhaltungsmaßnahmen stellt die optimale Maßnahme zur Gewährleistung bzw. zur eigendynamischen Herausbildung eines hervorragenden Erhaltungszustandes des Lebensraumtypes dar. Dies erfordert jedoch in jedem Fall eine sorgfältige Einzelfallprüfung. Werden Unterhaltungsmaßnahmen an Gewässern unterlassen oder eingeschränkt, so können sich Zustände ergeben, die einen ordnungsgemäßen Wasserabfluss nicht mehr zulassen. Es kann zu Wasserstandserhöhungen kommen. Die damit verbundenen Rückstaueffekte können Beeinträchtigungen für Oberlieger nach sich ziehen. Deshalb wird ein dauerhaftes Einstellen der Gewässerunterhaltung nur selten und auf wenige Einzelfälle begrenzt möglich sein. Aber auch ein zeitliches Aussetzen oder teilweises Einstellen bestimmter Unterhaltungsarbeiten muss vorsorglich geprüft und vorbereitet werden. Dazu sind vor allem die gewässerspezifischen Randbedingungen, insbesondere der Istzustand und die Entwicklung der hydraulischen Situation (auch im Hochwasserbelastungsfall) zu kennen bzw. zu analysieren. Des Weiteren muss auch die Bereitstellung entsprechender Entwicklungsflächen gesichert sein.


Mahd der Böschungen

Folgende Rahmenbedingungen sind zu beachten: Mit der Mahd der Böschungen ist nicht vor Ende Juli zu beginnen, der günstigste Zeitraum liegt zwischen Ende August bis zum November. Die Mahd ist räumlich und zeitlich versetzt vorzunehmen. Auf den Einsatz von Schlegelhäckslern und anderen der Tierwelt großen Schaden zufügenden Geräten ist zu verzichten. Am schonendsten lassen sich die Böschungen mit einem Messerbalken mähen. Wassernahe Uferbereiche sind nach Möglichkeit zu schonen. Vorhandene Röhrichte und Hochstaudenfluren sollten grundsätzlich erhalten werden. Bereiche mit gut ausgebildeten feuchten Hochstaudenfluren (LRT 6430) sind möglichst nicht jedes Jahr zu mähen. Röhrichtstreifen sind – wenn überhaupt – immer nur im ein- oder mehrjährigen Wechsel und möglichst im Winter (Januar/Februar) zu mähen. Das Mahdgut ist abzuräumen und abzutransportieren.


Krauten der Gewässersohle

Das Krauten stellt einen direkten Eingriff in die besonders zu schützende Wasservegetation dar und ist daher nur dann durchzuführen, wenn es zur Erhaltung der Abflussleistung erforderlich ist. Folgende Rahmenbedingungen sind dabei zu beachten: Das Krauten der Wasserpflanzen sollte möglichst spät (ab Mitte August bis Ende September, keinesfalls vor Juli) durchgeführt werden. Ökologisch günstig sind die halbseitige (wechselseitige) Krautung bzw. die Schneisenkrautung (mittige Krautung) unter Beachtung des hydraulischen Spielraumes. Wasserpflanzen sind nicht unmittelbar an der Sohle abzuschneiden, sondern mindestens 10 bis 30 cm darüber. Die Mahd der Sohle und der Böschung sollte in getrennten Arbeitsgängen erfolgen. Das schonendste Gerät ist ein Mähboot mit höhenverstellbarem Balkenmähwerk. Bei kleineren Gewässern ist der Einsatz eines Mähkorbes notwendig. Hierbei ist aber eine äußerst sachgemäße Handhabung zu sichern. Vorteilhaft sind Mähkörbe mit kleinen Arbeitsbreiten, bei denen die Gitterstäbe des Auffangkorbes abgetrennt werden. Damit wird das Mähgut nicht direkt aus dem Gewässer entnommen, sondern es wird zunächst abgeschwemmt. Des Weiteren sollte auch auf ein wechselseitiges Arbeiten orientiert werden. Vorteilhaft ist das Arbeiten gegen die Fließrichtung (u.a. bessere Sichtbedingungen für den Gerätefahrer). Schleppsensen sind nicht zu verwenden. Das abgeschnittene und abgeschwemmte Kraut ist an einer Sammelstelle aufzufangen und abzutransportieren.


Sedimententnahmen und Grundräumungen

Sedimententnahmen und besonders Grundräumungen stellen zumeist schwerwiegende Eingriffe in das Gewässerökosystem dar und sind soweit wie möglich zu minimieren bzw. auf Grundräumungen sollte nach Möglichkeit ganz verzichtet werden. Die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf vorhandene gewässerbewohnenden Arten des Anhanges II der FFH-Richtlinie sind zu beurteilen. Folgende Rahmenbedingungen sind bei Sedimententnahmen und Grundräumungen zu beachten: Sedimententnahmen und Grundräumungen sind grundsätzlich nur im Zeitraum von Mitte August bis Ende September durchzuführen. Es sollte nur ein Räumen der Auflandungen erfolgen, ein Eintiefen oder Verbreitern des ursprünglichen Profils ist dabei zu vermeiden. Eine zeitliche (verteilt über mehrere Jahre) und räumliche Staffelung der Arbeiten ist anzustreben. Die räumlichen Muster der Unterhaltung sollten über mehrere Jahre beibehalten werden (räumliche Konstanz). Notwendige Grundräumungen oder Entschlammungen sind nur abschnittsweise bzw. wechselseitig in aufeinanderfolgenden Jahren durchzuführen. Das verträglichste Räumgerät ist der Grabenlöffel. Auf den Einsatz von Grabenfräse und anderen der Tierwelt großen Schaden zufügenden Geräten ist zu verzichten. Ausgewählte Entnahmestellen (im Gewässerlauf bereits vorhandene Profilerweiterungen, Geschiebe- und Sandfänge) sind zur Einschränkung der Beeinträchtigungen zu nutzen. Wenn erkennbar ist, dass schutzwürdige Arten besonders des Anhanges II der FFH-Richtlinie bei Sedimententnahmen und Grundräumungen aus dem Gewässer entfernt werden, sind diese vor der Räumung bzw. unmittelbar bei der Räumung aus dem entnommenen Substrat zu bergen und umgehend fachgerecht wiedereinzusetzen. Eine Entnahme faulschlammhaltiger Substrate darf nur bei niedrigen Wassertemperaturen (ggf. nach vorheriger Prüfung auch ausnahmsweise außerhalb des angegebenen Zeitraumes) und unter Vermeidung von übermäßigem Aufwirbeln des Substrates erfolgen. Zur Einschränkung des starken Abdriftens von Feinpartikeln bietet sich eine nicht gekrautete bzw. geräumte Teilstrecke kurz unterhalb der jeweils zu räumenden Strecke an (der Bewuchs filtert viele Schwebstoffe heraus), wobei aber der hydraulische Spielraum zu beachten ist.

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Literatur:

80, 89,151, 242, 246, 247, 248, 249, 287, 299, 326, 332, 340, 341, 345

entnommen aus:

Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2002): Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt - Die Lebensraumtypen nach Anhang I der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie im Land Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 368 S.

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