Elbaue Jerichow (SPA0011)

Weitläufiges Offenland in der Auenlandschaft © Maxi RuthenbergWeitläufiges Offenland in der Auenlandschaft © Maxi Ruthenberg

Größe [ha]:                                              13.427
Landkreise und kreisfreie Städte: Börde; Jerichower Land; Stendal
Verwaltungseinheiten: Verbandsgemeinde Seehausen (Altmark); Verbandsgemeinde Elbe-Havel-Land; Verbandsgemeinde Arneburg-Goldbeck; Verbandsgemeinde Elbe-Heide; Einheitsgemeinde Tangermünde; Einheitsgemeinde Stadt Jerichow; Einheitsgemeinde Möser; Einheitsgemeinde Stadt Burg; Einheitsgemeinde Elbe-Parey; Einheitsgemeinde Hansestadt Havelberg; Einheitsgemeinde Stadt Wolmirstedt; Einheitsgemeinde Stadt Tangerhütte

Gebietsbeschreibung

Entlang der Elbe erstreckt sich das 13.427 ha große EU SPA Elbaue Jerichow über eine Strecke von mehr als 80 km. Nördlich des Mittellandkanals bei Magdeburg beginnend, zieht sich das EU SPA flussabwärts, an Rogätz, Tangermünde, Arneburg und Sandau vorbei, bis nach Werben im Norden Sachsen-Anhalts, wo es an das NSG "Aland-Elbe-Niederung" (Interaktive Karte der NSG) grenzt. Große Teile beider Schutzgebiete wurden 2003 gemeinsam als Feuchtgebiet internationaler Bedeutung (FIB0003LSA Aland-Elbe-Niederung und Elbaue Jerichow) ausgewiesen (DORNBUSCH 2004). Weitere besonders wertvolle Habitatkomplexe wurden als das NSG "Alte Elbe zwischen Kannenberg und Berge", das NSG "Arneburger Hang", das NSG "Bucher Brack-Bölsdorfer Haken", das NSG "Elsholzwiesen", das NSG "Rogätzer-Hang-Ohremündung", das NSG "Schelldorfer See" sowie als das NSG "Taufwiesenberge" (Interaktive Karte der NSG) unter Schutz gestellt. Etwa ein Drittel der Fläche des EU SPA Elbaue Jerichow, der Bereich zwischen Derben und Tangermünde, wurde bereits im Jahr 2000 als EU SPA an die EU-Kommission gemeldet. Mit einer Überarbeitung der Gebietsvorschläge für das Natura 2000-Netz im Jahr 2003 wurde das Gebiet auf die heutige Flächenausdehnung erweitert. Das Vogelschutzgebiet wurde 2018 mit Inkrafttreten der Landesverordnung Natura 2000 (N2000-LVO LSA) rechtlich gesichert. Es beinhaltet fünf FFH-Gebiete, die sich entlang des Elbeverlaufes aneinanderreihen und zusammen die gesamte Fläche des EU SPA einnehmen. Das Vogelschutzgebiet ist darüber hinaus Bestandteil des Biosphärenreservats Mittelelbe und fast vollständig auch in den entlang der Elbe ausgewiesenen LSG enthalten.

Das EU SPA befindet sich im Naturraum der Märkischen Elbtalniederung mit geringen Anteilen an der Bittkauer Platte. Trotz seiner erheblichen Längenausdehnung hat das Gebiet maßgebliche Flächenanteile nur an den Landschaftseinheiten Werbener Elbtal (Nordteil) und Tangermünder Elbtal (Südteil). Das pleistozän geprägte Gebiet der Elbetalniederung wird von grundwasserbeeinflussten Böden über Sand dominiert. Lehmige oder sandige Auenböden, wie verschieden entwickelte Gleye oder Vegen, kennzeichnen die Böden. Trockene höher gelegene Standorte, wie die Taufwiesenberge (53 m über NN) nördlich von Magdeburg, stellen Flugsandinseln dar, wo sich wertvolle Trocken- und Magerrasen sowie Silbergras­fluren finden. Der größte Teil der flachen Elbetalaue liegt bei Höhen von 40-42 m über NN, im Norden bei Werben erreicht die aufgeweitete Flussniederung jedoch nicht mehr als 25 m über NN.

Bis in die heutige Zeit ist der größte Teil des Gebietes periodisch von Überschwemmungen und Hochwassern der Elbe betroffen und stellt sich als eine strukturreiche dynamische Auenlandschaft dar. Die Vielfalt an Lebensräumen und die Großräumigkeit des Gebietes begünstigen die artenreiche Vogelwelt (HELLWIG 2005a). In großen Teilen wird die Elbe von flussnahen oder am Rande der Überflutungsauen errichteten Deichen begleitet. Fast die Hälfte der Fläche des EU SPA wird von Grünland eingenommen. Wertvoll sind hier die extensiv bewirtschafteten Wiesen der Deiche und Deichvorländer, die eine höhere Diversität als die umliegenden intensiv bewirtschafteten Grünländer aufweisen. Reste der Weichholzaue treten in Form von Weiden entlang der Elbe immer wieder auf. Zahlreiche Altarme, Altwasser und weitere Gewässer, unter anderem durch Qualmwasser oder Kiesabbau entstanden, strukturieren und bereichern das EU SPA abseits des Flusses. Der Schelldorfer See und der Bölsdorfer Haken sind charakteristische Altarme der Elbe mit angrenzenden Feuchtwiesen und deren typischen Pflanzengesellschaften, wie Knickfuchsschwanz- oder Silgen-Rasenschmielenwiesen. Röhrichte und Großseggenriede strukturieren zusätzlich das Gebiet. Intensive Bewirtschaftung und das Eintiefen der Elbe mit nachfolgenden Grundwasserabsenkungen gefährden die feuchten Habitate der Flussniederung (HELLWIG 2004). Das Trockenfallen der Aue begünstigt das intensivere und zeitige Nutzen der Grünlandkomplexe, die durch Mahd, Düngung und Beweidung an Vielfalt einbüßen oder sogar in Ackernutzung überführt wurden.

Bedeutung als Vogelschutzgebiet

Die strukturreiche und zeitweise überflutete Auenlandschaft der Elbaue Jerichow hat noch weitgehend ihren natürlichen Charakter behalten. In Verbindung mit der Großflächigkeit des Gebiets verleiht diese Vielfalt natürlicher Strukturen dem EU SPA eine herausragende Bedeutung für die Avifauna, sowohl als Brutgebiet als auch als Rast- und Überwinterungsgebiet (DORNBUSCH 2004, HELLWIG 2004). Besonders wertvolle Bereiche innerhalb des EU SPA sind unter anderem die NSG Bucher Brack-Bölsdorfer Haken, Alte Elbe zwischen Kannenberg und Berge sowie Schelldorfer See.

Der Elbelauf stellt zudem für zahlreiche Vogelarten eine Leitlinie während des Vogelzuges dar. Auch ist auf die räumliche Kontinuität der weitläufgen Überflutungsauen des EU SPA Elbaue Jerichow zur nördlich anschließenden Aland- Elbe-Niederung sowie zur östlich abzweigenden Niederung der Unteren Havel mit jeweils ebenfalls bedeutenden Rastbeständen zahlreicher Wasservogelarten zu verweisen.

Ausgewählte Vogelarten nach Anhang I der VogelschutzrichtlinieTextfeld öffnenTextfeld öffnen

Brutvögel

Das EU SPA Elbaue Jerichow zeichnet sich durch eine sehr artenreiche Vogelwelt mit Vertretern verschiedenster ökologischer Ansprüche aus. Besonders hervorzuheben sind die zahlreichen geschützten bzw. gefährdeten Brutvogelarten. Aktuell liegen Brutnachweise bzw. Brutverdachtsbeobachtungen von insgesamt 24 Anhang I-Arten und 13 Arten der Rote-Liste- Kategorien 1 und 2 vor (Tab. 34). Für Rohrweihe, Seeadler, Wachtelkönig, Tüpfelsumpfhuhn, Kleines Sumpfhuhn, Trauerseeschwalbe, Flussseeschwalbe, Eisvogel, Neuntöter, Sperbergrasmücke und Blaukehlchen ist die Elbaue Jerichow eines der Top-5-Gebiete in Sachsen- Anhalt, obwohl letztere Art im Rahmen einer landesweiten Erfassung aktuell nur in 2 Revieren festgestellt werden konnte (SCHULZE 2011).

In den ausgedehnten Schilfbeständen des Gebietes brütet die Rohrweihe. Aktuell kommen im EU SPA 18 BP vor. Vom Gewässerreichtum und dem ausgedehnten Feuchtgrünland profitieren ebenfalls Rot- und Schwarz milan, da sich hier optimale Nahrungsbedingungen bieten. Brutplätze der beiden Milanarten finden sich z. B. in den Hartholzauen der Elbe, in alten Pappeln sowie im Sandauer Holz (HELLWIG 2005a).

Der Flussuferläufer sowie zahlreiche Wiesenbrüter wie Wachtelkönig, Großer Brachvogel, Uferschnepfe, Bekassine und Kiebitz kommen im EU SPA mit landesweit bedeutenden Beständen vor. Insbesondere die vom Aussterben bedrohte Uferschnepfe ist hervorzuheben, da mit zeitweise bis zu 3 BP die Elbaue Jerichow einen erheblichen Anteil des kleinen verbliebenen Landesbestandes dieser Art beherbergt. Wichtige Bruthabitate für Arten wie den Kiebitz sind vor allem die Uferbereiche der Alten Elbe im NSG Bucher Brack-Bölsdorfer Haken (HELLWIG 2004, 2005a), wenngleich aber die Mehrzahl der Kiebitze aktuell auf den in Ackernutzung befindlichen Flächen brütet. Der Wachtelkönig konnte im Rahmen der Landeserfassung (SCHULZE 2010a) aktuell mit 47 Rufern nachgewiesen werden. HELLWIG (2005a) gibt für die Jahre 2002 bis 2004 weitaus weniger Rufer bei erheblichen jährlichen Schwankungen (4 - 27) an. Im Jahr 2009 konnte auch das Tüpfelsumpfhuhn mit 6 Revieren bei Jerichow sowie je 1 Revier bei Bölsdorf und bei Altenzaun nachgewiesen werden (FISCHER & DORNBUSCH 2010b). Ebenfalls gelang 2009 ein Nachweis des Kleinen Sumpfhuhns (FISCHER & DORNBUSCH 2010b). Problematisch für viele Wiesenbrüterarten im Gebiet ist jedoch eine zu zeitige und großflächige Wiesennutzung nach dem raschen Ablaufen des Frühjahrshochwassers (HELLWIG 2005a). Durch das zeitige Trockenfallen der Wiesen wird eine frühe Wiesenmahd bzw. der Besatz mit Weidevieh ermöglicht, was sich sehr negativ auf den Bruterfolg auswirkt. Der hohe Prädatorendruck, insbesondere durch Raubsäuger, verursacht zusätzliche Verluste.

Die Trauerseeschwalbe brütet auf schwimmenden Nisthilfen im NSG Bucher Brack-Bölsdofer Haken, auf der Alten Elbe zwischen Kannenberg und Berge und auf der Alten Elbe bei Bertingen, hier zu geringen Anteilen auch auf der Schwimmblattvegetation. Das Vorkommen der Flussseeschwalbe im EU SPA ist räumlich unstet und durch starke Fluktuationen gekennzeichnet (FISCHER & DORNBUSCH 2004-2010b). In den Jahren 2003/2004 brüteten bis zu 7 BP überwiegend auf den Sandbänken der Elbe (HELLWIG 2005a). Dort wurden bis 2007 noch einzelne Paare angetroen, gleichzeitig erfolgte 2005 jedoch eine Ansiedlung in der Kiesgrube Parey (außerhalb des EU SPA), die 2006/2007 einen Maximalbestand von 31 BP aufwies. Parallel dazu erkundete das erste Paar im EU SPA die Bodenentnahmestelle bei Bölsdorf (2006) bzw. außerhalb des EU SPA den Kiessee bei Rogätz (2007). 2008 brüteten im Bereich Elbaue Jerichow 28 Paare, ausschließlich an der Bodenentnahmestelle. Bereits im Folgejahr siedelte die Kolonie jedoch in den Kiessee Rogätz um. Ein Grund für die geringe Brutortstreue in der Elbeaue ist sicherlich der infolge von Prädation oder Hochwasserereignissen meist nur geringe Bruterfolg (HELLWIG 2005a, FISCHER & DORNBUSCH 2004-2010b). Auch verlieren natürliche Brutstandorte unter Umständen durch Sukzession rasch ihre Eignung für diese auf vegetationsarme Bereiche angewiesene Art.

Die vielen Altarme der Elbe bieten auch einen geeigneten Lebensraum für den Eisvogel, der in den Abbruchkanten der Gewässer und in Wurzeltellern umgestürzter Bäume seine Brutröhren anlegt. Die Feuchtbiotope mit ausgedehnten Schilfbeständen zwischen Havelberg und Sandau, zwischen Kannenberg und Berge sowie bei Bertingen sind wichtige Bruthabitate für Röhrichtbewohner wie Blaukehlchen, Schilfrohrsänger und Drosselrohrsänger (HELLWIG 2005a).

Der Mittelspecht besiedelt im Gebiet die größeren Waldbestände. Die Reviere konzentrieren sich in der Hartholzaue nördlich von Glindenberg sowie im Norden des EU SPA im Sandauer Wald und im Mühlenholz bei Havelberg (HELLWIG 2005a).

Im Jahr 2003 gelang zur Brutzeit eine Beobachtung der Spießente. Der letzte sichere Brutnachweis stammt jedoch aus dem Jahr 1999 (HELLWIG 2004). Die Bestände von Knäkente und Löffelente im EU SPA haben mit 13,3 % bzw. 26,7 % des Landesbestandes überregionale Bedeutung (HELLWIG 2005a).

In den halboffenen, trockeneren Habitaten des EU SPA kommen Neuntöter und Sperbergrasmücke in hoher Dichte vor. Für den Neuntöter ergab sich durch Hochrechnungen auf das Gesamtgebiet ein Bestand von etwa 639 BP. Der Gesamtbestand der Sperbergrasmücke wird auf maximal 100 BP geschätzt (HELLWIG 2005a). Im Bereich der Dünen brütet die Heidelerche. Eichenbestände entlang von Feldern werden durch den Ortolan besiedelt (HELLWIG 2005a).

Rastvögel

Als Rast- und Überwinterungsgebiet hat die Elbaue Jerichow eine ebenso große Bedeutung wie als Brutgebiet (DORNBUSCH 2004, HELLWIG 2004). Alljährlich rasten hier mehr als 20.000 Wasservögel. Singschwan, Saatgans, Blässgans und Kranich treten hier während der Zugzeit mit mehr als 1 % ihrer biogeografischen Populationen auf. Unter den Saatgänsen sind neben der überwiegenden Anzahl von Tundrasaatgänsen auch regelmäßig bis zu 40 Waldsaatgänse zu beobachten. Die Blässgans konnte mit einer Tageshöchstzahl von 75.000 Individuen nachgewiesen werden, so dass das EU SPA Elbaue Jerichow für diese Art eines der wichtigsten Rastgebiete in Sachsen-Anhalt darstellt. Auf den Wiesen und Feldern rasten alljährlich auch mehrere Tausend Kiebitze. Der maximal festgestellte Rastbestand lag bei 12.000 Individuen. Weiterhin rasten hier während der Zugzeit tausende Goldregenpfeifer, Graugänse, Stockenten, Tafelenten, Kormorane und Lachmöwen. Erwähnenswert ist auch der Rastbestand von über 100 Weißwangengänsen. Der Silberreiher  konnte in den letzten Jahren mit bis zu 160 rastenden Individuen festgestellt werden.

Literatur

verändert nach:

MAMMEN, K. & U.; DORNBUSCH, G.; FISCHER, S. (2013): Die Europäischen Vogelschutzgebiete des Landes Sachsen-Anhalt, Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Heft 10/2013.

Links / Dokumente

Hauptteil (N2000-LVO LSA)

Gebietsbezogene Anlage (N2000-LVO)

Erhaltungs- und Wiederherstellungsmaßnahmen

Auf den Flächen des Pionierübungsplatzes Storkau gilt die Vereinbarung über den Schutz von Natur und Landschaft auf militärisch genutzten Flächen des Bundes (Vereinbarungsgebiete).
Ministerialblatt LSA 2011, Nr. 38

Den Standarddatenbogen und die Meldekarte finden Sie auf der Internetseite des Landesamtes für Umweltschutz.

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