Tote Täler südwestlich Freyburg (FFH0151)

Kalk-Trockenrasen am Hasselbachtal © RANA - Büro für Ökologie und NaturschutzKalk-Trockenrasen am Hasselbachtal © RANA - Büro für Ökologie und Naturschutz

Größe [ha]: 826
Landkreise und kreisfreie Städte: Burgenlandkreis
Verwaltungseinheiten: Verbandsgemeinde An der Finne; Verbandsgemeinde Unstruttal; Einheitsgemeinde Stadt Naumburg (Saale)

Gebietsbeschreibung

Die Toten Täler in der Landschaft der „Ilm-Saale-Muschelkalkplatten“ bilden einen großflächigen, auf einer Muschelkalkplatte gelegenen Komplex aus Pionier-, Trocken- und Halbtrockenrasen, Kalkschutthalden, trocken-warmen Gebüschen sowie meso- und thermophilen Wäldern zwischen Freyburg und Balgstädt im Norden sowie Kleinjena und Möllern im Süden. Landschaftlich prägend sind die Steilhänge zum Hasselbach- und Unstruttal sowie mehrere Trockentäler (Tobel). Der nördliche Teil des Plateaus wurde bis 1992 militärisch als Panzerfahrgelände genutzt. Im Bereich des FFH-Gebietes befindet sich das NSG Tote Täler (Interaktive Karte der NSG).

Lebensraumtypen und Flora

Die Vorkommen des FFH-LRT 6210 Kalk-Trockenrasen (91 ha, davon 36 ha *orchideenreiche Bestände) gehören zu den ausgedehntesten in Sachsen-Anhalt und haben somit landesweite Bedeutung. Die größte zusammenhängende Fläche dieses LRT befindet sich im Nordteil des Muschelkalkplateaus auf dem sogenannten Rödel. Typisch für die Halbtrockenrasen sind deren klimatisch bedingte Übergangsformen. So treten in den subkontinental getönten Furchenschwingel-Fiederzwenken-Rasen bereits zahlreiche Arten mit submediterranem Verbreitungsschwerpunkt auf und vermitteln dadurch bereits zum Esparsetten-Trespen-Rasen bzw. dem durch Beweidung bedingte Enzian-Schillergras- Rasen. Die Trockenrasen werden durch die Erdseggen- und selten auch die Gamander-Blaugras-Gesellschaft repräsentiert. Insbesondere die Halbtrockenrasen beherbergen eine Vielzahl naturschutzfachlich wertvoller Arten mit z. T. überregional bedeutsamen Populationen, wie z. B. Gemeine Küchenschelle (Pulsatilla vulgaris), Knäuel-Glockenblume (Campanula glomerata), Silber-Distel (Carlina acaulis), Kreuz-Enzian (Gentiana cruciata), Fransen-Enzian (Gentianella ciliata), Großblütige Braunelle (Prunella grandiflora) und Großer Ehrenpreis (Veronica teucrium). In den Trockenrasen treten Graues Sonnenröschen (Helianthemum canum), Braunroter Sitter (Epipactis atrorubens), Edel- und Berg-Gamander (Teucrium chamaedrys, T. montanum) sowie Ästige Graslilie (Anthericum ramosum) auf. Floristisch bemerkenswert ist der Nachweis des Apenninen-Sonnenröschens (Helianthemum apeninum), eine Art, die sonst in ganz Ostdeutschland lediglich an der Steilstufe der Querfurter Platte bei Steigra auftritt. Arten- und individuenreiche Orchideenvorkommen führen auf zahlreichen Flächen des LRT 6210 zur Priorisierung dieses LRT. Typische Arten sind Purpur-, Helm- und Dreizähniges Knabenkraut (Orchis purpurea, O. militaris, O. tridentata), wobei die beiden erstgenannten Arten umfangreiche Hybridschwärme bilden, weiterhin Fliegen-, Bienen- und Spinnen-Ragwurz (Ophrys insectifera, O. apifera, O. sphegodes), Weiße und Grünliche Waldhyazinthe (Platanthera bifolia, P. chlorantha) sowie Händelwurz (Gymnadenia conopsea) mit verschiedenen Unterarten. Seltener und z. T. unstet können Bocksriemenzunge (Himantoglossum hircinum), Brand-Knabenkraut (Orchis ustulata) und Herbst-Wendelorchis (Spiranthes spiralis) nachgewiesen werden. Die Populationen von Pyramiden-Spitzorchis (Anacamptis pyramidalis), Kleinem Knabenkraut (Orchis morio) und Honigorchis (Herminium monorchis) sind in den letzten Jahrzehneten erloschen.
Auf mikroklimatische Extremstandorte bleibt der FFH-LRT 6240* Steppenrasen beschränkt, der vor allem durch das Pfriemengras (Stipa capillata) geprägt wird. Bemerkenswert ist hier die Vergesellschaftung mit der Goldhaar-Aster (Aster linosyris). An offenen, ständiger Erosion unterliegenden Muschelkalkstandorten der Steilhänge und Felsdurchragungen und in einem ehemaligen Steinbruch siedelt der FFH-LRT 6110* Kalk-Pionierrasen. Überwiegend sind diese Bestände der Traubengamander-Wimperperlgras-Gesellschaft zuzuordnen. Neben charakteristischen Arten, wie Gemeiner Steinquendel (Acinos arvensis), Berg-Gamander, Dunkles Zwerg-Hornkraut (Cerastium pumilum), Platthalm-Rispengras (Poa compressa), Frühblühender Thymian (Thymus praecox) und Milder Mauerpfeffer (Sedum sexangulare), kennzeichnen ausgedehnte Vorkommen des Wimper-Perlgrases (Melica ciliata) diesen LRT.
Vor allem auf Kalkschutt der Abraumhalden der aufgelassenen Steinbrüchen tritt der FFH-LRT 8160* Kalkhaltige Schutthalden mit Edel-, Berg- und Trauben-Gamander (Teucrium chamaedrys, T. montanum T. botrys), Kleiner Wiesenraute (Thalictrum minus), Schmalblättrigem Hohlzahn (Galeopsis angustiofolia) und Schwalbenwurz (Vinceto xicum hierundinaria) auf. In kühl-schattigen Lagen der Tobel ist fragmentarisch die Mauerrauten-Blasenfarn-Gesellschaft des FFH-LRT 8210 Kalkfelsen mit Felsspaltenvegetation (0,1 ha) ausgebildet. Das Grünland an Unterhängen und in Tallagen wird durch den trockenen Flügel der Frischwiesen, der Salbei-Glatthafer-Wiese, repräsentiert, die zum FFH-LRT 6510 Magerer Flachland Mähwiesen (ca. 2 ha) gestellt wird. Von den charakteristischen Arten sind Wiesen-Salbei (Salvia pratensis), Pastinak (Pastinaca sativa), Kleiner Klappertopf (Rhinanthus minor), Wiesen-Margerite (Leucanthemum vulgare), Vielblütiger Hahnenfuß (Ranunculus polyanthemos), Flaum- Hafer (Helictotrichon pubescens) und Goldhafer (Trisetum flavescens) zu nennen.
Nur am Hasselbach tritt kleinflächig der FFH-LRT 6430 Feuchte Hochstaudenfluren (0,1 ha) auf. Es sind Pestwurz-Fluren mit Roter Pestwurz (Petasites hybridus), Rohr-Glanzgras (Phalaris arundinacea), Giersch (Aegopodium podagraria), Zaun-Winde (Calystegia sepium) und Kohl-Kratzdistel (Cirsium oleraceum).

Die vorherrschende Waldgesellschaft im Gebiet ist der FFH-LRT 9170 Labkraut-Eichen- Hainbuchenwald (ca. 250 ha), dessen Baumschicht von Stiel- und Trauben-Eiche (Quercus robur, Q. petraea) aufgebaut wird. Hinzu treten Hainbuche (Carpinus betulus), Feld-Ahorn (Acer campestre) und Winter-Linde (Tilia cordata) sowie seltener Elsbeere und Speierling (Sorbus torminalis, S. domestica). In der artenreichen Strauchschicht ist das Vorkommen der Kornelkirsche (Cornus mas) an ihrer nordöstlichen Arealgrenze hervorzuheben. Der Frühjahrsaspekt wird u. a. von Maiglöckchen (Convallaria majalis), Leberblümchen (Hepatica nobilis), Echtem Lungenkraut (Pulmonaria officinalis), Frühlings-Platterbse (Lathyrus vernus), Türkenbund-Lilie (Lilium martagon), Wiesen-Primel (Primula veris) sowie Märzenbecher (Leucojum vernum) geprägt. Im Sommeraspekt dominieren Gräsern wie Waldgerste (Hordelymus europaeus), Wald-Zwenke (Brachypodium sylvaticum), Wald-Knaulgras (Dactylis polygama), Verschiedenblättriger Schwingel (Festuca heterophylla) und die Perlgras-Arten Melica uniflora, M. nutans und M. stricta. Purpurblauer Steinsame (Buglossoides purpurocaerulea), Diptam (Dictamnus albus), Ebensträußige Margarite (Tanacetum corymbosum), Breitblättrigem Laserkraut (Laserpitium latifolium) und Schwalbenwurz (Cynanchum vincetoxicum) leiten zu den xerothermen Wäldern über. Zahlreiche Orchideenarten, wie Kleinblättriger und Spitzlippiger Sitter (Epipactis microphylla, E. leptochila), Bleiches, Rotes und Langblättriges Waldvöglein (Cephalanthera damasonium, C. rubra, C. longifolia), Vogel-Nestwurz (Neottia nidus-avis) sowie Blasses und Stattliches-Knabenkraut (Orchis pallens, O. mascula), aber auch das Vorkommen des Gelben Eisenhutes (Aconitum lycoctonum) belegen den naturschutzfachlichen Wert der Waldvegetation. Der Frauenschuh (Cypripedium calceolus) als Art nach Anhang II der FFH-Richtlinie tritt nur noch gelegentlich, meist mit Einzelpflanzen im Gebiet auf.
An südwestexponierten Hangkanten geht ein Niederwald als Ausbildungsform des Labkraut-Eichen-Hainbuchen-Waldes in einen xerothermen Elsbeeren-Eichen-Wald über, der nicht zu den FFH-Lebensraumtypen zählt aber naturschutzfachlich sehr wertvoll ist. Hier sind naturnahe Waldgrenzen entstanden, an denen der Wald ohne Ausbildung eines Gebüschmantels in einen xerothermen Staudensaum mit Blut-Storchschnabel (Geranium sanguineum) und Feld-Klee (Trifolium campestre) übergeht. Dieser löst sich über breite Übungsstreifen ohne scharfe Grenzen in die Fiederzwenken-Graslilien-Trockenrasen auf. An stärker anthropogen geprägten xerotheremen Waldgrenzen siedelt der Elsbeeren-Eichen-Wald als Niederwaldausbildung, den ein dichter Mantel aus Schneeball-Hartriegel-Gebüsch begleitet. Dem Mantel sind dichte Diptam (Dictamnus albus)-Säume oder die Gesellschaft des Blut-Storchschnabels (Geranium sanguineum) und der Hirschwurz (Cervaria rivini) vorgelagert, die in Magerrasen übergehen. In den Bestände des FFH-LRT 9130 Waldmeister-Buchenwald (ca. 50 ha) sind der dominanten Rotbuche (Fagus sylvatica) häufig anspruchsvolle Laubholzarten, wie Gemeine Esche (Fraxinus excelsior), Winter-Linde, Hainbuche und Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus) beigemischt. Die Feldschicht ähnelt der der Eichen-Hainbuchen-Wälder, jedoch treten Licht-, Wärme- und Trockenheitszeiger zurück. Der FFH-LRT 9150 0rchideen-Buchenwald (ca. 10 ha) hingegen wird durch diese Arten geprägt. An steilen, von Muschelkalk überrollten Hängen ist der FFH-LRT 9180* Schlucht- und Hangmischwälder (ca. 10 ha) als Schwalbenwurz-Sommerlinden-Kalkschuttwald ausgebildet. Gemeine Esche und Sommer-Linde (Tilia platyphyllos) bauen diese Gesellschaft auf. Typisch für die Feldschicht sind Schwalbenwurz, Christophskraut (Actaea spicata), Ausdauerndes Bingelkraut (Mercurialis perennis) sowie regelmäßig nitrophile Arten wie Knoblauchsrauke (Alliaria petiolata), Taumel-Kälberkropf (Chaerophyllum temulum) und Ruprecht-Storchschnabel (Geranium robertianum). Abschnittsweise wird der Hasselbach vom FFH-LRT 91E0* Erlen-Eschenwälder (ca. 2 ha) begleitet. Durch seine linienhafte Ausprägung im Offenland dominieren Randeinflüsse, die sich im Auftreten zahlreicher Störzeiger manifestieren.

Fauna

Mehrfach wurde die Haselmaus (Muscardinus avellanarius) in geeigneten Lebensräumen des Gebietes nachgewiesen. Einzelne Tiere der Kleinen Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros) nutzen einen im Gebiet befindlichen Bunker als Winterquartier und mit dem Nachweis weiterer Fledermausarten ist im gesamten Gebiet zu rechnen. Das Mosaik der verschiedenen, überwiegend trockenwarmen Biotoptypen bietet gute Lebensbedingungen für Kriechtiere. Hier kommen sowohl die Schlingnatter (Coronella austriaca) als auch die Zauneidechse (Lacerta agilis) vor. Kleine Waldtümpel in den naturnahen Laubwaldbeständen reichen dem Kammmolch (Triturus cristatus) im Frühjahr zur Fortpflanzung aus, die Umgebung dieser Wasserstellen wird als Sommerlebensraum besiedelt. Entomologisch ist das Gebiet ebenfalls gut untersucht. Hervorzuheben ist eine artenreiche Heuschreckenfauna, insbesondere das Vorkommen der Rotflügeligen Ödlandschrecke (Oedipoda germanica). Der letzte Nachweis vom Thymianbläuling (Maculinea arion) datiert aus dem Jahre 1974, seitdem ist die Art im Gebiet verschollen. Der Eremit (Osmoderma eremita) wurde im Jahre 2002 im Gebiet nachgewiesen und 2013 bestätigt (M. Jentzsch, schriftl. Mitt.). Als bemerkenswerter Käfer kann der Pillenwälzer (Sisyphus schaefferi) in den Trockenrasen beobachtet werden.

Literatur: 8, 117, 207, 212, 213, 264, 277, 356, 361, 442, 491

verändert nach:

Jentzsch, M. und Reichhoff, L. (2013): Handbuch der FFH-Gebiete Sachsen-Anhalts. Hrsg. Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt. Halle (Saale). 616 Seiten

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